Grandts' kleiner Horrorladen

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Ein neues Buch über Satanismus verbreitet - unbegründet Verschwörungstheorien.

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Ein neues Buch über Satanismus verbreitet - unbegründet Verschwörungstheorien.

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Der Teufel ist los - glaubt man der jüngsten Veröffentlichung von Michael und Guido Grandt, die nach ihrem "Schwarzbuch Satanismus" (1995) und "Jugendokkultismus" (1997) sich erneut mit der "Bedrohung der Gesellschaft" durch den Satanismus beschäftigt.

Das Buch warnt vor dem Satanismus in seinen vielfältigen Formen: von verschwörerischen Geheimbünden, bis zu Pädophilen- und Päderastenkreisen, die entweder eine satanische Weltanschauung vertreten und auch vor Menschenopfern nicht zurückschrecken, oder die satanische Rituale als Vorwand und Einschüchterung der Opfer verwenden. Auch die Warnung vor der "Unfähigkeit der deutschen Presse" die sich am Beispiel des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" oder der Fachzeitschrift "Psychologie heute" zeige, fehlt nicht. Waren es im Buch "Jugendokkultismus" kirchliche Sektenbeauftragte, die als "Verharmloser" im "Kampf um die Seelen" versagten, so sind es jetzt die Journalisten. Aber eine Warnung fehlt: die Warnung vor Büchern wie diesem.

Man könnte dem Verlag vorhalten, daß das Buch schlecht lektoriert wurde: bibliographische Angaben zu anderen Büchern sind unvollständig, ein Literaturverzeichnis fehlt, nervend oft verweisen die beiden Autoren auf eigenen Publikationen, in denen dann angeblich die wichtigen Argumente zu finden sind, die man eigentlich in diesem Buch erwartet hätte.

Aber bei einem so dramatischen Thema ist man geneigt, über formale Mängel hinwegzusehen. Die beiden "Undercover-Journalisten", die laut Buchrücken schon mehrmals maßgeblich zur Verhaftung von Tätern im In- und Ausland beigetragen haben, versprechen, Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die eigentlich nicht für Uneingeweihte bestimmt sind. Sie sollen belegen, daß satanische Sekten eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen.

Nach einer Einführung in den Satanismus, in dem aus religionswissenschaftlicher Sicht die Sehnsucht nach der Finsternis, der historische Satanismus und die unterschiedlichen Formen der Magie beschrieben werden, folgen drei Fallbeispiele, in denen von Mädchen berichtet wird, die in einem satanischen Umfeld aufwuchsen, und die sexuell und psychisch mißbraucht wurden. Dann folgt eine Beschreibung, mit welchen Methoden Menschen (nicht nur von Satanisten) in eine psychische Abhängigkeit gebracht werden können, und ein Gespräch mit zwei Therapeutinnen, die mit traumatisierten und mißbrauchten Patientinnen arbeiten.

Sehnsüchtig arbeitet sich man bis zum mehrmals angekündigten vierten Kapitel vor, in dem "Beweise" für die eigentliche These vorgelegt werden sollen. Doch dort sind in erster Linie Zeitungsausschnitte zu finden, die Quellen sind unter anderem die "New York Times", "USA Today" oder aber auch der international bekannte "Zollern-Alb-Kurier". Die Autoren erzählen die Zeitungsausschnitte mehr oder weniger ausführlich nach; mit der Frage, wie man diese Berichte einschätzen und bewerten kann, werden die Leser aber alleingelassen. Bei zwei Fällen aus Kolumbien setzen die Autoren beispielsweise ein vorsichtiges Fragezeichen hinter die Überschrift "Kinder als Ritualopfer". Während es in der Nacherzählung des Zeitungsartikels noch hieß, daß die Kinder Opfer der dortigen Todesschwadronen sein könnten oder aber auch von Sekten, die dem Satanismus anhingen, und daß es Gerüchte - keine Beweise! - gäbe, daß Kinder bei Ritualen benutzt würden, liest man 15 Seiten später, viele der in Kolumbien täglich etwa 15 entführten Kinder seien Opfer satanischer Sekten.

Die These des Buches kann man in einem Satz zusammenfassen: Es gebe Satanismus, der sich auch in Form von rituellem Mißbrauch und Menschenopfern ausdrücke; daß man diesen aber öffentlich wahrnehme, wisse eine starke Lobby zu verhindern. Die Justiz wisse nicht genug darüber, weil die passenden Gesetze fehlen und die kirchlichen, journalistischen und sonstigen Verharmloser nicht erkennen wollen, daß das Böse immer und überall ist. Letztlich ist eine solche These der Boden, auf dem (unbegründete) Verschwörungstheorien und Ängste wachsen. Ein Buch, das mehr Fragen - auch an die Autoren und ihre Art der Beweisführung - aufwirft, als es wirklich beantworten kann.

Der Autor ist Verfasser von Sachbüchern zum Themenbereich Sekten und Okkultismus.

Satanismus - Die unterschätzte Gefahr. Von Guido und Michael Grandt.

Patmos Verlag, Düsseldorf 2000. 234 Seiten, kt., öS 291,-/e 21,15

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