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„Die schwarzen Babys haben kein Herz”

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Am 29. April 1993 wurde der 15 Jahre alte Sandro Beyer in Sondershausen von Gleichaltrigen auf satanische Weise ermordet - das Wort ist deshalb am Platz, weil sich die jugendlichen Mörder tatsächlich als Jünger Satans verstanden. Sandro hatte sich von ihrem Treiben zunächst angezogen gefühlt, dann aber abgewendet -dies wurde ihm zum Verhängnis.

Satanismus, Satansmesse, Schwarze Magie: Wörter, die man immer öfter hört und die anläßlich grauenhafter, aber zum Glück offenbar seltener Straftaten Aktualität gewinnen. Abgesehen von solchen schrecklichen „Entgleisungen” sind die meisten Menschen, Polizisten eingeschlossen, geneigt, .Satanisten für mehr oder weniger harmlose Verrückte zu halten. Manchmal dürfen sie sogar im Fernsehen auftreten.

Nun behauptet das deutsche Autorenduo Guido und Michael Grandt. Satanismus sei keine Außenseiter-Spinnerei, sondern eine sich im Untergrund immer weiter verbreiternde Sub- und Gegenreligion, die weit über okkulte Spiele und Friedhofsschändungen hinausgehe und deren Anhänger, nicht selten intelligente und gutsituierte Leute, füj ihren Satanskult Kindesmißbrauch, Vergewaltigungen, ja sogar TötxöTgen in Kauf nehmen. Wozu jedem Medienkonsumenten einiges einfällt: Massenselbstmorde von Mitgliedern obskurer Sekten, zuletzt in der Schweiz ... ein grauenhafter Lustmord an einem Kleinkind, begangen von zwei Personen, ebenfalls in der Schweiz ... die Giftanschläge in Japan ... Phänomene, die zwar nicht mit Satanis-mus in Verbindung gebracht werden, aber in dieselbe Rubrik passen: Kollektiver Wahnsinn.

Ist kollektiver Wahnsinn im Untergrund endemisch geworden? Genau dies behaupten Guido und Michael Grandt in ihrem Buch ..Schwarzbuch Satanismus - Innenansicht eines religiösen Wahnsv-stems”. erschienen soeben im Augsburger Pattloch-Verlag (Paperback, 286 Seiten, öS 279,-).

Die Autoren tauchen tief in einen Bereich, in dem das Grauenhafte und Perverse so monströs und unglaublich wird, daß man sich an den Kopf faßt und mit den Polizisten und Journalisten fühlt, die, etwa, die, Berichte von dutzenden Kindern der holländischen Ortschaft Oude Peke-la. die ihre Erlebnisse unabhängig voneinander erzählten, als Massen-hvsterie und V\ ichtigtuerei abtaten. Dasselbe erlebte eine deutsche Studentin, die - nach den von ihr erstatteten Anzeigen - schon als Kind Zeuge von Kindermorden wurde und der ihre Eltern und deren Freunde gesagt hatten, es sei nichts dabei, schwarze Babys hätten kein Herz. Bloß: Wenn doch etwas dran wäre? Wenn die menschlich begreifliche Abwehrhaltung der mit solchen Unglaublichkeiten konfrontierten Kriminalisten, Arzte und Journalisten zur Folge hätte, daß Verbrechen, die unser Verstand nicht in Betracht ziehen will, unentdeckt bleiben? Hätte denn unser Verstand die Sektenselbstmorde oder den Schweizer Babymord in Betracht ziehen wollen -wären die Spuren dieser Taten nicht offen zutage gelegen? Man sollte solchen Berichten gründlicher als bisher nachgehen. Sei es auch nur zur Sicherheit. Hoffentlich sehen Guido und Michael Grandt Gerspenster. Im übrigen bieten sie eine materialreiche, gut belegte Geistesgeschichte des Satanismus und jede Menge von Hinweisen auf Querverbindungen. Auch auf solche zwischen Satanisten, Rotlichtmilieu und den Herstellern von Kinderpornos.

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