Hoffen, auch wenn die Hoffnung verrückt ist

19451960198020002020

Der Schweizer Dichter und reformierte Theologe Kurt Marti wurde achtzig Jahre alt.

19451960198020002020

Der Schweizer Dichter und reformierte Theologe Kurt Marti wurde achtzig Jahre alt.

Werbung
Werbung
Werbung

das könnte manchen herren so passen / wenn mit dem tode alles beglichen / die herrschaft der herren / die knechtschaft der knechte / bestätigt wäre für immer. So lautet die erste Strophe eines der bekanntesten Gedichte von Kurt Marti. Typisch für den Schweizer Schriftsteller ist der gesellschaftskritische Duktus, in den hinein er seine Art, das Christentum zu verkünden, stellt - noch klarer in der dritten Strophe: aber es kommt eine auferstehung / die anders ganz anders wird als wir dachten / es kommt eine auferstehung die ist / der aufstand gottes gegen die herren / und gegen den herrn aller herren: den tod "Pastor und Poet" titulierte ihn die - der Linkslastigkeit unverdächtige - "Neue Zürcher Zeitung" zum Achtziger. Nicht immer jedoch war es so einträchtig um den reformierten Theologen und Schüler Karl Barths, der von 1961 bis 1983 in Bern als Pfarrer tätig war: 1971 verweigerte man ihm in Bern wegen "linker Umtriebe"eine theologische Professur.

Ein Zorniger, der den Unmut über die herrschenden Verhältnisse in seinen prägnanten Gedichten, aber auch Erzählungen, Essays, Aphorismen, Tagebüchern Luft macht, ist Kurt Marti allemal: (Vietnam-)Kriegsgegner, Grüner (lange vor deren Parteiwerdung), Kirchenschelter - und überzeugter Christ. "Die Bibel ist ein Widerstandsbuch", so Kurt Marti in einem Interview mit dem Zürcher "Kirchenboten": "Ein Buch, das uns ermutigt, trotz allem Schlechten und Ungerechten und Grauenvollen in der Welt am Glauben an einen gerechten Gott festzuhalten."

Einiges im schriftlichen Werk Kurt Martis mag zeitbezogen sein, ein wenig "Achtunsechziger-Lyrik", doch seine Sprache ist original, und das meiste wird die Zeit überdauern - wie das Thema seines Zorns zeitlos bleibt. Von der Theologischen Fakultät der Universität Bern wurde Marti mittlerweile mit der Ehrendoktorwürde gefeiert, auch mehrere Literaturpreise - darunter 1997 der "Kurt Tucholsky-Preis für literarische Publizistik" - zeugen davon, dass sein schriftstellerisches Werk über die friedens- und ökobewegten Kirchengruppen hinaus wirkt.

Der Tübinger Theologe Karl-Josef Kuschel siedelt Kurt Martis Gedichte - wie viele andere moderne Lyrik - an der Grenze zwischen Sinn und Unsinn, Reden und Schweigen, Lachen und Loben an (Karl-Josef Kuschel: Im Spiegel der Dichter, Patmos/Düsseldorf 1997). Kuschel erzählt, er habe bei Marti in einer "lyrischen Sehschule" gelernt, dass die Hoffnung eine verrückte Hoffnung sein kann, die aber nicht zu zerstören ist: mag sein dass ich nie recht begriff was geboren-sein heisst mag sein dass ich warte auf verlorenem posten mag sein dass verrückt ist wer immer noch rechnet mit wundern verrückt wie die frauen die in der gruft eines toten entdeckten die neue geburt

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung