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Nach Tschernobyl

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Der Berner Pfarrer Kurt Marti ist kein Lyriker von fanatischer Glaubensglut, kein religiöser Dichter auf den dornigen Pfaden der Dogmatik. Seine Verse sind kurze energiegeladene Sprints, mit denen er sich und uns über alle Götzen hinwegzusetzen vermag: etwa über den Siegerglauben der Militärs oder über den Profit, über die „Chemiecanaille und die Caesiumclique“. „

Von Kurt Marti ist nicht der lange lyrische Seidenfaden zu erwarten, mit dem man sich in eine Kokonklausur einspinnen könnte, damit sich dort der Wurm selber aufzehrt und nur die Schmetterlingsseele übrig bleibt. Marti spinnt nicht, er packt zu, weiß aber, daß der Mensch niemals etwas im Griff hat.

Nach Tschernobyl hat sich Marti uns allen einen neuen Termin gesetzt, nämlich uns jetzt zu fragen, ob Gedichte nach Tschernobyl noch möglich sind. In seinem neuen Band steht er Rede und Antwort: Nichts dringender als Gedichte, solche, wie er sie schreibt: „wir haben alles im griff / versichern die sichern / alles im griff beteuern / teuer bezahlte …“

Wo der Glaube entschwindet, macht sich der Illusionismus breit und verdrängt die Tatsache, daß ein „Müllenium“ angebrochen ist, „wo atommüll noch die enkel killt“. Dort aber, wo Glaube auch um unsere menschliche Freiheit weiß, ist — wie in diesem Buch — das Bewußtsein wach, in welche Entscheidungsphase wir geraten sind.

MEIN BARFÜSSIG LOB. Von Kurt Marti. Luchterhand-Verlag Darmstadt 1987. 74 Seiten, kart., öS 125,-.

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