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Weise und streitbar

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Das Buch von Kurt Marti ist insofern eine Überraschung, als es den Berner Autor auf einem Weg zeigt, den man vom Verfasser etwa der „rosa loui“ oder der galligen „leichenreden“ eigentlich nicht gewohnt ist - nämlich auf dem Weg der viel weniger experimentellen Reflexion, der meditativen Betrachtung. Aber Kurt Marti wäre nicht Kurt Marti, wenn er seine die verschiedensten Bereiche des Lebens und Denkens umfassenden Erfahrungen und Notizen sozusagen nur als Beiwerk verstanden wissen wollte. Seine oft vom antithetischen Kontrast lebenden Aphorismen bilden eine in religiösen Fragen keineswegs zimperliche Bestandsaufnahme - die literarische Rechtfertigung eines kämpferischen Theologen, der sich nicht scheut, auch die Dinge seines Glaubens in das Salz seiner Ironie zu tauchen: „Da Gott verschiedene Kostgänger hat, mußte er auch Diätkoch werden. Seine Schonkost wird vornehmlich in Kirchen serviert.“

Es gibt in diesem Band Prosastücke, die sehr lyrisch wirken, und solche, in denen ganz einfach Erfahrungswerte aufgezeigt werden, in einer geballten, immer auf das Wesentliche zustrebenden Sprache. Am besten erscheint mir der Autor aber doch in seinen knappen, an Lichtenberg geschulten Aphorismen, in denen sich sein Sprachwitz auf lapidare Weise austobt: „Gesucht sind Macher. Nötig wären Verhinderer“ oder. „Oft hat man Grund zu sagen: Der Teufel ist los. Nie heißt es: Gott ist los. Halten ihn die Kirchen so sicher unter Verschluß?“

Ein weises, aber auch ein streitbares Buch - ein Buch mit der deutlichen Handschrift seines Autors.

ZÄRTLICHKEIT UND SCHMERZ. Von Kurt Marti, Luchterhand Verlag, Darmstadt 1979, 136 Seiten, öS 140,-.

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