Kein Fall für den Kadi

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Die katholische Kirche ist gut beraten, auf Diskurs und Information über die eigene Position zu setzen, um Dan Browns Kirchen-Fantasien zu begegnen.

Muss die katholische Kirche die Gerichte bemühen, um der Verleumdung Herr zu werden? Erst vor wenigen Wochen wollten deutsche Bischofsämter mit dem Weg zum Kadi verhindern, dass der Musiksender MTV die Cartoon-Serie Popetown ausstrahlt. Ohne Erfolg, aber mit dem Effekt, dass die "Skandal"-Filmchen viel mehr Publikum anzogen: Das Kalkül der Marketingleute von MTV war aufgegangen und Deutschlands katholische Kirche einmal mehr in die Falle unfreiwilliger Werbung getappt. Nach der ersten Folge wurde klar: Popetown war die Aufregung darum nicht wert (vgl. die letztwöchige Furche).

Nun kommt mit der Verfilmung des Dan-Brown-Bestsellers "Sakrileg" gleich der nächste Fall, gegen dessen Dimensionen die Popetown-Affäre ein lächerlicher Abklatsch ist. Auch diesmal gab es Rufe nach dem Kadi - etwa vom nigerianischen Kurienkardinal Francis Arinze, der forderte, den Film wegen "Verunglimpfung der Religion" anzuzeigen. Gott sei Dank wird - nicht nur hierzulande - solches Ansinnen als eher weltfremd angesehen: "Sakrileg" war schon als Buch ein Hype, mit dem Film wird es nicht anders sein. Auch in einer "katholischen" Buchhandlung in der Wiener City stolpert man über Berge von Dan Brown-Büchern und weiterer Literatur rund um "Sakrileg": Was die Leute kaufen, ist heute von Kirchenoberen nicht mehr steuerbar. Das Opus Dei, jene Organisation, welche in "Sakrileg" als finstere Macht hinter aller Kirchenverschwörung firmiert, ist da klüger. Man sei gegen Boykott-Aufrufe, so der Opus-Dei-Prälat Javier Echevarría: "Jeder ist frei, so zu handeln wie er will. Wir rufen nur die Gläubigen zu mehr Einsatz auf, um zu klären, was die Wahrheit über die Evangelien und die Kirche ist." (Dazu auch: Seite 5 dieser Furche.)

Der Mainstream katholischer Auseinandersetzung mit den Fantasien Dan Browns setzt weder auf Demonstrationen noch auf Gerichtsverfahren: Das ist gut so. Es gibt reihenweise Internetseiten, in denen die kirchliche Sicht der Dinge argumentiert wird, die Diözese Graz-Seckau hat einen Folder mit einer kompakten Zusammenstellung von Fakten der Forschung und der kirchlichen Tradition gegenüber fiktionalen Behauptungen in "Sakrileg" erstellt ( www.graz-seckau.at/ sakrileg). Solche Strategie des Diskurses und der Information über die eigene Position ist vielversprechender als alles andere.

Besteht aber nicht die Gefahr, dass die Essentials des christlichen Glaubens verloren gehen in der geschickten Vermischung von Halbwahrheiten, aufregender Fiktion, die aber nicht als solche benannt wird, mit den Ingredienzien einer Thriller-Handlung? Solche Frage stellt eine Herausforderung für die Vermittler des christlichen Glaubens dar: "Sakrileg" ist keine Religionsstunde, aber die darin transportierten Glaubensbehauptungen können sich schon in den Köpfen des Publikums festsetzen; das ist aber nichts Neues. Man möge etwa von den Auseinandersetzungen um dissidente Religionsbewegungen im Mittelalter bis in die religiöse Gegenwart gehen, um zu sehen, dass es immer wieder ausgeprägte "Sonderformen" des Christentums gab, die nicht die eigentliche Botschaft berührten (auch die Gralslegende, die "Sakrileg" im eigenen Sinn usurpiert, gehört in solchen Seitenstrang). Man kann dazu auch ein profanes Beispiel stellen: Wie viele Leute glauben, weil sie immer noch den "Amadeus"-Film im Kopf haben, dass Mozart von Salieri ermordet wurde, obwohl das historisch nicht haltbar ist? Es mag also nicht leicht sein, die historische und religiöse Wahrheit gegen "Sakrileg" ins Treffen zu führen. Dennoch bleiben Gelassenheit und Diskurs das einzig Erfolg versprechende Rezept.

Zeigt aber das überbordende Interesse für "Sakrileg" nicht erneut, dass Religion wieder überaus interessant geworden ist? Hier ist Skepsis angebracht. Man könnte da Hypes wie "Harry Potter" oder den "Herrn der Ringe" ins Treffen führen: In all diesen Büchern und Filmen spielt Interesse am Mythischen und Geheimnisvollen eine große Rolle, der Erfolg von "Sakrileg" beruht ja auch auf einem Mix von dunklen Geheimnissen einer mythisch-archaischen Institution, als die die katholische Kirche hier identifiziert wird. Wie man sieht, finden spannende Geschichten, die nach solchem Muster gestrickt sind, ihr Publikum. Mit Religion und den existenziellen Fragen, die Menschen gerade heute bewegen, hat all das dennoch wenig zu tun.

otto.friedrich@furche.at

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