Kronawitter - © KArt-Fotografie / Ikarus Film

Max Kronawitters Leben mit dem Tumor: Eine Zeitbombe im Gehirn

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Max Kronawitter, Dokumentarfilmer und Theologe, hat ein Buch über „seinen“ Tumor geschrieben. Andreas R. Batlogg, selbst Krebspatient und Buchautor, erkennt da vieles wieder.

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Max Kronawitter, Dokumentarfilmer und Theologe, hat ein Buch über „seinen“ Tumor geschrieben. Andreas R. Batlogg, selbst Krebspatient und Buchautor, erkennt da vieles wieder.

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Max Kronawitter hat mehr als 200, teils preisgekrönte Dokumentarfilme über Menschen mit einem schweren Schicksal gedreht, denen er damit auch ein Denkmal setzte: über Holocaust-Überlebende, über den Todesmarsch von Dachauer KZ-Häftlingen, über die Müllkinder von Pater Heinz Kulüke auf der Insel Cebu (Philippinen), über Steyler Missionsschwestern in Papua-Neuguinea, die sich um HIV-Patienten kümmern, die von ihren Familien wie Aussätzige verstoßen wurden, über den ersten deutschen Aids-Seelsorger Thomas Schwaiger („Letzte Berührungen“), über den erblindeten Benediktinerpater Elias - oder über das Afrika-Projekt von Prinz Ludwig, dem designierten Chef des Hauses Wittelsbach, den er auf dem „Löwenmarsch“ kennenlernte.

Seine Filmfirma, die er noch als Student 1989 gründete, hat er „Ikarus“ genannt. Über 30 Jahre später muss er nun schreiben: „Ikarus – meine Firma – stürzt, und ob sie überleben wird, weiß ich nicht.“ Denn nun hat es ihn selbst erwischt, aus heiterem Himmel: Über Wochen hinweg sah er „Blitze“, wenn er sich anstrengte, und hatte dann Kopfschmerzen. Seine Frau Heike, selbst Ärztin, schleppte ihn zu einer Radiologin. Kaum aus dem Kernspintomografen heraus, wollte er zurück an den Schreibtisch. Seine Frau: Wir müssen erst die Bilder vom Schädel anschauen. Beide Ärztinnen erstarren vor dem Monitor. „Irgendwie“, so Kronawitter rückblickend, „ist es so, als hätte ich bei einem riesigen Würfelspiel die unwahrscheinlichste, aber eben doch mögliche Zahlenkombination bekommen.“

Ein Gehirntumor namens „Hugo“

Zum ersten Mal hört er das Wort „Glioblastom“ – ein bösartiger Hirntumor! Seine Frau drückt ihn: „Max, du wirst sterben.“ Später zitiert er aus dem Roman „Über Menschen“ von Julie Zeh: „Glioblastom ist das Ober-Scheißwort unter den Scheißwörtern. Ein dunkler Warlord in Buchstabenform. Er wird stets begleitet von seinen Adjutanten namens Inoperabel, Unheilbar und Palliativ.“

Zehn Jahre vorher hatte Kronawitter ein dreizehnjähriges Mädchen gefilmt, als sie „in die Röhre gefahren“ wurde. Wenke nannte ihren Gehirntumor „Hugo“ –„um seinen Schrecken zu bannen“. Sie verlor ihren Kampf. Ihr Schicksal wurde nun zum eigenen, sein Film hat ihn eingeholt: „Bruchlandung! Wie vom Himmel gefallen bin ich. Als wäre ich selbst Teil dieser mythischen Erzählung“: Ikarus.

Die erste Konsequenz: Fahrverbot! „Ich werde nie wieder ein Auto steuern“: Für einen, der im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit Blick auf das Karwendelgebirge wohnt und zu Hause sein Büro hat, ein harter Einschnitt. Der Neurochirurg will sofort operieren. Kronawitter kann noch eine Woche herausschinden. Der Aufschub hat ganz praktische Gründe: „Wir müssen mit den Kindern sprechen, das Unglaubliche irgendwie begreifen und so viele geschäftliche Dinge regeln.“ An Notfallpläne, Vorsorgevollmacht und andere Dinge hat der Diplomtheologe, Journalist und Filmemacher des Jahrgangs 1962 bis dahin nie gedacht.

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