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Vor 60 Jahren schlossen die Wiener NS-Behörden die evangelische Schwedische Mission, durch die 3.000 Menschen jüdischer Abstammung gerettet wurden.

Ein "Einbruch des Bösen in menschliches Denken und Wollen" seien die Verbrechen an den Juden zur Zeit des Nationalsozialismus gewesen. Mit diesen Worten erinnerte Kardinal König bei einem Ökumenischen Gottesdienst in der Wiener Ruprechtskirche an die Pogrome des 9. November 1938: Auch Christen seien an den Verbrechen gegen die Juden beteiligt gewesen oder hätten dazu geschwiegen. "Das belastet uns alle heute noch", so König; dieser Last stehe freilich das ehrende Andenken an jene gegenüber, "die sich nicht blenden ließen von einer menschenverachtenden Ideologie".

Die evangelische Kirche A.B. und die schwedische lutherische Kirche in Wien gedachten in diesem Sinn am 9. November der Schließung der Schwedischen Israelmission in Wien, die sich un die Rettung Tausender verdient gemacht hatte. Seit 1920 unterhielt die schwedische Kirche eine Hilfsstelle in Wien IX., Seegasse 16. Zum einen ging es darum, der nach dem Ersten Weltkrieg notleidenden Wiener Bevölkerung zu helfen, zum anderen war missionarische Arbeit - nicht zuletzt unter den Juden, die aus der ehemaligen Donaumonarchie nach Wien strömten, zu leisten - das Aufgabengebiet.

Diese - nicht zuletzt von der jüdischen Gemeinschaft mit Argwohn beäugte - Tätigkeit veränderte sich mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus: Ab 1933 flüchteten zahlreiche Juden und Christen jüdischer Abstammung aus Deutschland nach Wien. Die Schwedische Mission in der Seegasse widmete sich da unter anderem relevanten Themen des christlich-jüdischen Verhältnisses und bemühte sich um Aufklärung über religiöse und säkulare Judenfeindschaft.

1938 übernahm der unter diplomatischer Immunität stehende schwedische Pfarrer Hedenquist die Leitung der Mission. Immer wichtiger wurde nun die konkrete Hilfe für Personen jüdischer Abstammung, zumeist evangelisch Getaufter. Etwa 100 Mitarbeiter waren offiziell "angestellt", was einen gewissen Schutz vor Behördenwillkür bedeutete. Einer viel größeren Zahl von Menschen aber konnte das Team um Pfarrer Hedenquist die Ausreise ermöglichen.

Ab dem Kriegsausbruch 1939 wurde die Arbeit der Schwedischen Mission schwieriger. Am 9. November 1941 schlossen die NS-Behörden die Hilfsstelle. Bis dahin waren auf diese Weise mehr als 3.000 Juden und Christen gerettet worden. Michael Bünker, evangelischer Oberkirchenrat, erklärte beim Pressegespräch zum 60. Jahrestag der Schließung der Schwedischen Mission: "Die Mission in der Seegasse ragt wie eine Insel hervor aus der Geschichte der Schuld der Pfarrer und der Kirchen". Bünker wies im Gespräch auch darauf hin, dass nach 1941 evangelische Christen jüdischer Herkunft von der "Hilfsstelle für nichtarische Katholiken" in Wien mitbetreut wurden (vgl. den Bericht über diese Hilfsstelle in der vorwöchigen furche).

1951 wurde das Haus Seegasse 16 wieder der Schwedischen Mission übergeben, neun Jahre später über nahm die Pfarrgemeinde Innere Stadt die Räumlichkeiten als Predigtstation. 1998 machte sich die ansässige Gemeinde als "Evangelische Pfarrgemeinde Alsergrund" selbständig.

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