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Licht in der Finsternis

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HEIMFÜHREN WERD’ ICH EUCH VON ÜBERALLHER. Aufzeichnungen am Rande des Zeitgeschehens. Von G. Metzler. Verlag Herder, Wien. 216 Seiten. Preis 63 S

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HEIMFÜHREN WERD’ ICH EUCH VON ÜBERALLHER. Aufzeichnungen am Rande des Zeitgeschehens. Von G. Metzler. Verlag Herder, Wien. 216 Seiten. Preis 63 S

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Otto Molden berichtet in seinem Werk über den österreichischen Widerstand in den Jahren 1938 bis 1945, „Der Ruf des Gewissens“ (Verlag Herold, Wien), auch über die Versuche der katholischen Kirche Oesterreichs, den getauften Juden und Mischlingen, die einer gnadenlosen Verfolgung seitens des Dritten Reiches ausgesetzt waren, zu helfen, soweit es ging. Aus einer Konvertitenvereinigung wuchs nach dem März 193 8 die „Hilfsstelle für nichtarische Katholiken", die zuerst der Jesuit Georg Bichlmair und nach dessen strafweiser Verbannung sein Ordensbruder Pater Born leitete. Bis zum Ausbruch des Krieges und in den ersten Monaten bemühte sich diese Stelle, möglichst vielen Bedrohten die Ausreise aus dem „tausendjährigen Reich“ zu verschaffen. Kardinal Innitzer, der ihr seine besondere Hilfe stets zuwandte, hatte bereits in den ersten Monaten sechs ausländische Kardinale gebeten, in ihre Staaten auswandernden österreichischen Juden soweit wie möglich zu helfen. Die von der Aktion besorgten Affidavits lauteten meist auf Holland, von wo viele Flüchtlinge dann nach Brasilien oder den USA weiterbefördert wurden. Als durch die Ausdehnung des Krieges und die immer härter werdenden Rassengesetze die Auswanderung schließlich ganz unmöglich wurde, veranstaltete die Hilfsstelle für die zurückgebliebenen Juden, die nur verkürzte Lebensmittelrationen zugewiesen erhielten, die aus ihren Wohnungen verjagt wurden, die die Schergen in die KZ verschleppten, geheime Sammlungen von Geld, Kleidern! Lebensmitteln und Medikamenten! Ja sie versteckte eine große Anzahl von gefährdeten Juden als „Unterseeboote“ bei arischen Familien. Dies1 alles war die berühmte „Aktion K", genannt nach den Anfangsbuchstaben einer der tatkräftigsten Mitarbeiterinnen dieses Komitees, der Gräfin Emmanuela Kielmannsegg, die später von der Schwester Verena von der Caritas socialis abgelöst wurde. Kardinal Innitzer spendete 1 für die Zwecke der Aktion monatlich 3000 Reichsmark. Der Aktion gelang es sogar, in das KZ Theresienstadt von 1944 bis zum Kriegsende mehr als 7000 Lebensmittelpakete zu senden und viele Juden dadurch vor dem sicheren Hungertode zu retten. In Theresienstadt hatte die Hilfsstelle eigene Agenten, die sie immer auf dem laufenden hielten.

Es war ein heroischer įCampf, den hier eine kleine Gruppe von rund zehn Menschen gegen einen mit allen Machtmitteln ausgerüsteten und zu allen Schandtaten bereiten Goliath führte, besessen nur von dem einen Gedanken, aych in dieser Situation das Gebot Christi zu erfüllen. Es war eine der bewundernswerten Taten christlicher Nächstenliebe, der christlichen Caritas, die hier in aller Stille, unter ungeheurer Gefahr, geleistet wurde. Eine Tat, die es wahrhaft verdient, der Vergessenheit entrissen zu werden.

G. Metzler unternimmt es in ihrem Buch „Heimführen werde ich euch von überallher“, diesen heroischen und scheinbar so aussichtslosen Kampf einer kleinen Schar von Menschen zu schildern. Schlicht nennt sie ihren Bericht, dem sie die Form einer Erzählung gibt, „Aufzeichnungen am Rande des Zeitgeschehens“. Schlicht vermeidet sie es, den Namen der Stadt Wien wie auch die echten Namen dieser Helden auszusprechen. Sie will nur Zeugnis ablegen für den Kampf dieser Menschen, die inmitten der tiefsten Finsternis Ungezählten, die nicht mehr ein noch aus wußten, ein Licht der Liebe leuchten ließen. Sie läßt sie in diesem Buch vorüberziehen, diese geschundenen, gequälten Juden von Wien, deren Leidenszug nur ein geringer Ausschnitt aus dem gigantischen Totentanz war, in den das Dritte Reich Millionen von Juden schickte. Und sie läßt sie vorüberziehen, diese wenigen Helden, die versuchten, diesem Todeszug so viele Opfer wie möglich zu entreißen. Sie l ßt alle die Schrecknisse, die Niedrigkeiten, die Gemeinheiten, die Undankbarkeiten dieser Tage vorüberziehen, aber auch die Heldenhaftigkeit eines ewigen Glaubens.

Es ist Zeit, daß dieses Buch geschrieben wurde. Weil der Antisemitismus wieder da und dort sein Haupt erhebt und ihm immer wieder vorgehalten werden muß, wie unchristlich er ist und zu welchen Scheußlichkeiten fähig. Es ist Zeit, daß dieses Buch geschrieben wurde, weil immer wieder behauptet wird, daß die Kirche in Oesterreich nichts getan habe, um die Greuel der Jahre 193 8 bis 1945 auf dem Gebiet der Judenverfolgung zu lindern. Hier ist ein beredtes Zeugnis, daß dem nicht so war, ein Zeugnis, das echt ist.

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