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Schwester Verena soll "Gerechte unter den Völkern" werden: Sie hat Juden vor NS-Schergen gerettet

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Schwester Verena half während des Nationalsozialismus Juden und Jüdinnen aller Altersstufen. Jetzt soll ihr der Ehrentitel "Gerechte unter den Völkern" verliehen werden. Ein Hintergrundeinblick in die Geschichte dieser "stillen Mutter Courage".

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Schwester Verena half während des Nationalsozialismus Juden und Jüdinnen aller Altersstufen. Jetzt soll ihr der Ehrentitel "Gerechte unter den Völkern" verliehen werden. Ein Hintergrundeinblick in die Geschichte dieser "stillen Mutter Courage".

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Als Staatssekretär Franz Morak zur 50-Jahr-Feier der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem Mitte September nach Israel reiste, erinnerte er an "jene wenigen Österreicher, die in den finsteren Stunden der Weltgeschichte den Mut zum aufrechten Gang und den Glauben an die Stimme ihres Herzen bewahrt" hatten.

Ein solcher Österreicher war etwa der Komponist Gottfried von Einem: Es gab im Dritten Reich eben nicht nur "willige Vollstrecker", sondern auch couragierte Menschen, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens, das ihrer jüdischen Mitbürger gerettet haben. Weil von Einem in Zeiten der Unmenschlichkeit sein humanes Anlitz bewahrte, trägt er - wie andere 19.700 Männer und Frauen, darunter 84 Österreicher - den Ehrentitel "Gerechter unter den Völkern".

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Auch Caritas-Socialis-Schwester Verena Buben, die in der Erzbischöflichen Hilfsstelle für nichtarische Katholiken in Wien arbeitete, half Juden vor Verfolgung durch die Nazi-Schergen. "Sie war eine sehr mutige, kluge und entscheidungsfreudige Frau", so Gerald Stourzh, emeritierter Geschichtsprofessor an der Universität Wien: "Als überzeugte Christin sah sie im Nationalsozialismus ein schweres Unrecht."

Stourzh bemüht sich seit 20 Jahren darum, dass auch Schwester Verena in die Liste der "Gerechten unter den Völkern" aufgenommen wird. Er hat ein Gutachten erstellt, das Staatssekretär Morak im Zuge seiner Reise in Israel übergeben hat. Eine Kommission prüft nun, ob für Schwester Verena, wie schon für die anderen 84 Österreicherinnen und Österreicher, ein Baum in der Allee der Gerechten in Yad Vashem gepflanzt wird.

"Wer nur das Leben eines Menschen rettet, rettet die ganze Welt": Dieser Spruch aus dem Talmud gilt sowohl für die berühmten Helden, wie Gottfried von Einem, als auch für die stillen, wie Schwester Verena.

Die 1963 ins Leben gerufene höchste Auszeichnung, die der Staat Israel an Nichtjuden verleiht, würdigt Menschen, die ihr Leben, ihre Freiheit und Sicherheit riskierten, um das eines Juden zu retten, ohne dafür eine finanzielle Entschädigung zu erhalten. Stourzh schildert in seiner Sachverhaltsdarstellung, wie maßgeblich Schwester Verena - die seit 1. Juli 1942 bei der Erzbischöflichen Hilfsstelle mithalf - zum Überleben des jüdischen Mädchens Mirjam beitrug. Die Eltern des Kindes lebten untergetaucht in Beuthen/Oberschlesien, als Mirjam geboren wurde.

Das Leben als "U-Boote" wurde mit dem größer und lebendiger werdenden Kind zur Gefahr für alle. Aber wohin sollte Mirjam gebracht werden? Über den Jesuiten Georg Bichlmair, der 1940 auf Grund seines Einsatzes für nichtarische Katholiken von Wien nach Beuthen verbannt worden war, kam der Kontakt zur Hilfsstelle zustande. Mirjam kam im April 1944 nach Wien. Helene Buben, wie Schwester Verena mit bürgerlichem Namen hieß, nahm sich des Kindes an und legte es vor ein Kloster. Da der Vater darauf bestanden hatte, dass das Kind nicht getauft werden dürfte, legte die Ordensfrau ihren Rosenkranz in die Hand von Mirjam.

Wer nur ein Leben rettet ...

Für Stourzh ist das Vortäuschen der Taufe ein wichtiges Moment in der Rettungsaktion. Mirjam, die nach erfolgloser polizeilicher Suche ihrer Eltern in ein Kinderheim kam, überlebte den Massenmord - genauso wie ihre Eltern im Untergrund. Die Geschichte der Schwester Verena ruft auch noch einmal das Engagement der gesamten Erzbischöflichen Hilfsstelle in Erinnerung. Sie wurde im Erzbischöflichen Palais von Kardinal Theodor Innitzer in der Wiener Rotenturmstraße eingerichtet und stand somit unter seinem persönlichen Schutz.

Es war derselbe Wiener Erzbischof, der noch im März 1938 die Annexion Österreichs an Hitler-Deutschland begrüßte. Aber Innitzer war es auch, der am 7. Oktober 1938 die Jugend in den Stephansdom gerufen hatte, damit sie ein Bekenntnis zu "Christus, unserem Führer" ablegen würden. Einen Tag nach dieser Manifestation des Widerstands stürmten Nazis den Sitz des Erzbischofs und skandierten "Innitzer und Jud, eine Brut". Wie die Rolle der katholischen Kirche während des Nationalsozialismus insgesamt umstritten ist, so bleibt auch die historische Beurteilung Innitzers geteilt.

"In Bezug auf die Hilfsstelle ist seine Person auf jeden Fall sehr positiv zu bewerten", verteidigt Stourzh den Wiener Erzbischof. Innitzer selbst hat wesentlich die Finanzierung der Hilfsstelle sichergestellt, die im Dezember 1940 unter der Leitung des deutschen Jesuitenpaters Ludger Born ihre Tätigkeit aufnahm. Zuvor hatte sich schon Bichlmair, der bei der Rettung Mirjams mithalf, auf Weisung des Kardinals zwei Jahre lang für verfolgte Juden eingesetzt.

... rettet die ganze Welt

Schwester Verena und die 22 Mitarbeiterinnen verhalfen getauften Juden trotz Ausreiseverbot zu Visa, versorgten "U-Boote" mit dem Lebensnotwendigen, sorgten sich um Kranke und Alte oder verschickten Essenspakte für die deportierten Juden nach Theresienstadt. Neun von ihnen wurden selbst in Vernichtungslagern umgebracht. "Wer nur das Leben eines Menschen rettet, rettet die ganze Welt": Dieser Spruch aus dem Talmud gilt sowohl für die berühmten Helden, wie Gottfried von Einem, als auch für die stillen, wie Schwester Verena.

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