"Solange es Bergbau gibt, gibt es Kriege"

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Joseph Mathunjwa, Begründer des südafrikanischen Gewerkschaftsbundes für Minenarbeiter, über schießbefehle auf streikende und Afrika als selbstbedienungsladen für Europa.

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Joseph Mathunjwa, Begründer des südafrikanischen Gewerkschaftsbundes für Minenarbeiter, über schießbefehle auf streikende und Afrika als selbstbedienungsladen für Europa.

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Joseph Mathunjwa ist Leiter des Gewerkschaftsbundes AMCU. Seine große Stunde kam 2012: Nach dem Massaker in der Lonmin-Platinmine, wo die ANC-nahe National Union of Miners (NUM) an der blutigen Niederschlagung eines Streiks beteiligt war, wandten sich die Arbeiter an die AMCU, die schließlich vom Management als Verhandlungspartnerin akzeptiert werden musste.

DIE FURCHE: Sie wurden zum Nationalhelden, als Sie sich 2012 an die Spitze eines Streiks in der Lonmin-Mine stellten und schließlich bessere Löhne aushandeln konnten. Wie lief das ab?

Joseph Mathunjwa: Erst wollte man uns für das Massaker verantwortlich machen, weil wir, anders als die NUM, die Streikenden unterstützten. Wir hatten zu wenige Mitglieder, um an den Verhandlungen beteiligt zu werden. Das Streikkomitee ging zum Büro der NUM. Dort wurde das Feuer eröffnet.

DIE FURCHE: Es gab dann über 30 Tote und der Arbeitskonflikt dauerte fünf Monate.

Mathunjwa: Die wirklichen Helden sind die Arbeiter, die so lange durchgehalten hatten. Gegen allen Gegenwind. Denn die Medien sind immer auf der Seite des Kapitals.

DIE FURCHE: Präsident Cyril Ramaphosa, der Anteile am Unternehmen besaß, soll ja auch eine unrühmliche Rolle gespielt haben.

Mathunjwa: Er hat nach einer Krisensitzung den Schießbefehl gegeben.

DIE FURCHE: Südafrikas Präsident Jacob Zuma wurde kürzlich wegen offener Korruption zum Rücktritt gedrängt. Mit Cyril Ramaphosa hat Südafrika seit einigen Monaten einen neuen Präsidenten. Was bedeutet das für die Bergbauindustrie?

Mathunjwa: Damit die Konzerne Afrika weiterhin ausplündern können, brauchen sie ein neues schwarzes Gesicht, das ihre Logik versteht. Wer einmal an ihrem Tisch gegessen ist, wird keine Veränderungen angehen. Denn wenn einer nicht den Anforderungen der Unternehmen entspricht, bauen sie einen anderen auf. Es ist nicht gut für Afrika, solche Leute an der Spitze zu haben. Und Ramaphosa war jahrelang Vizepräsident. Die Korruption ist vor seinen Augen passiert.

DIE FURCHE: Mit dem Ende der Apartheid und Nelson Mandelas Präsidentschaft hat sich doch einiges verändert.

Mathunjwa: Der ANC wurde einst als revolutionäre Organisation gegründet. Aber bei den Verhandlungen mit dem Apartheid-Regime hat er in wirtschaftlichen Fragen nichts erreicht. Die haben ihre Seele an den höchsten Bieter verkauft. Solange man sich die Preise diktieren lassen muss, wird Afrika als finsterer Kontinent betrachtet werden, ein Kontinent, der mit so vielen Rohstoffen gesegnet ist. Aber die Menschen werden ungeduldig. Den Arbeitern geht es heute schlechter als früher. Das meiste Land gehört Bergbaugesellschaften. Ganz Witbank gehört Anglo Gold, BHP Billiton, Glencore. Die verfügen über die Kohle. Und was bleibt uns? Seht euch die Kinder an, die in Witbank geboren werden: Sie kommen wegen der Chemikalienverseuchung mit braunen Augen auf die Welt. Da muss etwas passieren. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Der Kapitalismus funktioniert für Afrika nicht. DIE FURCHE: In den USA und Europa hat er großen Wohlstand geschaffen. Mathunjwa: In Europa liegt die Arbeitslosigkeit bei fünf Prozent, in den USA bei sechs Prozent. Bei uns beträgt sie 27 bis 28 Prozent. Der Kapitalismus hat diesen Gesellschaften geholfen, großen Reichtum anzuhäufen. Aber auf Grundlage der afrikanischen Rohstoffe. Die Mineralien werden aus dem Boden geholt und ins Ausland verschifft. Der Kapitalismus ist gut für die wenigen, aber nicht für die Masse der Armen. Wir müssen das Bildungssystem reformieren. In Europa und den USA lernt man auf den Universitäten, wie man Mineralien verarbeitet. In Südafrika wird man bestenfalls Bergbauingenieur. Die Bildung ist das Rückgrat der Industrialisierung. Solange sich da nichts verändert, wird Afrika ein Selbstbedienungsladen für Europa bleiben.

DIE FURCHE: In Südafrika gibt es eine Kampagne gegen Bergbau. Mineralienförderung habe dem Kontinent nur Übles gebracht.

Mathunjwa: Solange es Mineralien gibt, wird es Kriege und Gewalt geben. Der Umstieg auf saubere Energie würde die Gewalt reduzieren.

DIE FURCHE: Soll man die Mineralien also im Boden lassen?

Mathunjwa: Das würde helfen. Es ist ja alles eine Frage von Angebot und Nachfrage. Nimm den illegalen Kleinbergbau, den wir Zamazama nennen. Die Bergleute bekommen für einen Liter Coltan 500 Rand und müssen dann 250 Rand für einen Laib Brot zahlen. Die Regierung könnte diesen Kleinbergbau legalisieren und den industriellen Bergbau auslaufen lassen.

DIE FURCHE: Wie würde die unmittelbare Zukunft ohne Bergbau aussehen?

Mathunjwa: Es muss eine Übergangslösung geben. Ich habe nichts gegen Kleinbergbau, wenn die Dorfgemeinschaft davon profitiert. Das muss entsprechend geregelt werden. Der Staat könnte ihnen die Kohle abkaufen und sie ans Netz anschließen. Jetzt ist es so, dass die Dörfer keinen Strom haben, nur die Verschmutzung und die Krankheiten. DIE FURCHE: Wer macht es besser?

Mathunjwa: Zum Beispiel die arabischen Staaten. Die haben ihren Ölreichtum zur Entwicklung der eigenen Länder genutzt. In Qatar arbeiten fast nur Asiaten, die eigenen Leute haben Geld. Es gibt in den Golfstaaten vieles, das mir nicht gefällt. Aber hier in Südafrika sterben Bergarbeiter unter Tage, sie bekommen das Gold, das sie fördern, aber nie zu Gesicht. Nie werden sie eine Münze aus Platin besitzen.

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