Das Experiment von Wörgl

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1932 bewies die Tiroler Kleinstadt Wörgl, was eine alternative Währung leisten kann.

Die Wirtschaftskrise und in ihrem Gefolge hohe Arbeitslosigkeit waren über Europa hereingebrochen, als sich im Tiroler Städtchen Wörgl ein erstaunlicher Wirtschaftsaufschwung abzeichnete. Der ehemalige Eisenbahner Michael Unterguggenberger war 1931 Bürgermeister geworden und hatte eine Idee, wie die Not möglicherweise gelindert werden konnte. Der Sozialdemokrat war der Ansicht, dass der langsame Geldumlauf die Hauptursache für die bestehende Wirtschaftslähmung sei. Das Geld sammle sich in den Händen weniger Menschen, die es nicht dem Markt zuführten, sondern als Spekulationsmittel einsetzten. Somit fehlte es im Produktionskreislauf: "Geldstauung bewirkt Warenstauung und Arbeitslosigkeit." Eine umlaufgesicherte, zinsfreie Währung sei die Lösung.

Im Juli 1932 bezahlte die Gemeinde ihre Arbeiter erstmals in Arbeitswertscheinen im Wert von einem, fünf und zehn Schilling. Sämtliche Wörgler Geschäftsleute waren zuvor überzeugt worden, das Experiment mitzutragen und dies Scheine als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Binnen kürzester Zeit war der Geldkreislauf geschlossen: Die Arbeiter bezahlten ihre Einkäufe mit den Arbeitsscheinen, die Geschäftsinhaber ihre Steuern.

Um die Scheine in Umlauf zu halten, verlor jeder Schein monatlich ein Prozent seines Wertes. Um das zu verhindern, mussten Marken zu diesem Preis auf den Arbeitswertschein geklebt werden. Die Rechnung ging auf, die Wörgler hielten ihr Geld in Umlauf, denn Horten hätte es entwertet: Während der 13 Monate, in denen das Projekt lief, flossen die Scheine im Durchschnitt zwei mal pro Woche durch die Gemeindekasse. Mit den Steuern, die die Gemeinde dadurch einnahm, konnten Straßen saniert, ein Stadtteil kanalisiert, eine Notstandsküche errichtet und sogar eine Schisprungschanze gebaut werden. Die Arbeitslosigkeit sank in Wörgl um 16 Prozent, während sie in Österreich um 19 Prozent anstieg.

Im September 1932, nach zahlreichen Gerichtsverhandlungen, initiiert durch die Nationalbank, wurde das Freigeldexperiment von Wörgl durch den Verwaltungsgerichtshof wegen angeblicher Verletzung des Banknotenprivileges der Nationalbank verboten. Das Argument, dass es sich nicht um Banknoten handle, sondern sozusagen um Gutscheine, die nur auf den an der Nothilfe freiwillig beteiligten Personenkreis beschränkt sei, fand damals kein Gehör.

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