Weder Idioten noch Hallodris

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Die Eröffnungsworte von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle beim Philosophicum Lech haben mittlerweile beinahe Kultstatus erreicht: Keine Politikerrede, kein Manuskript - sondern ein kleiner, launiger, mit jeder Menge lateinischer Zitate gespickter Exkurs durch die abendländische Kultur, bezogen aufs jeweilige Thema.

Heuer also das Ich. Wer will ich sein? Nach Töchterle jedenfalls kein Idiot (griech. idiotes), der sich nur für die eigenen Angelegenheiten interessiert - aber auch kein Hallodri (von griech. allotria), der nur Unfug (wörtlich eigentlich andersartige Dinge) im Kopf hat. Das Ideal, wie könnte es bei einem wie Töchterle anders sein, ist natürlich der polites - also der, der die Sache der polis, das Gemeinwesen, die res publica in den Blick nimmt.

Nicht fehlen durfte in diesem Rahmen auch der Verweis auf die berühmte "Rede über die Würde des Menschen“ des Renaissance-Philosophen Pico della Mirandola, ein frühes "Dokument des Individualismus“.

Ebenfalls zu den Fixelementen der Eröffnungszeremonie gehören diverse augenzwinkernde Reverenzen an den Gastgeber, den Lecher Bürgermeister Ludwig Muxel. Heuer ging das so: Gerichtspsychiater Reinhard Haller erklärte in der einleitenden Podiumsdiskussion - dem sogenannten "Impulsforum“ - den Unterschied zwischen Narziss und Charismatiker. Letzterer fehle in der Politik - eine Ausnahme bilde natürlich, erraten, der hiesige Ortschef …

Vom Hotel in die Kirche

Der darf tatsächlich stolz sein, dass sich eine Veranstaltung wie das Philosophicum, für einen mondänen Wintersportort wie Lech ja nicht unbedingt Teil des Pflichtprogramms, dermaßen entwickeln und entfalten konnte. Was im Speisesaal eines Vier-Sterne-Hotels mit etwa hundert Leuten begonnen hat, sprengt heute beinahe den Rahmen des größten öffentlichen Raumes im Ort - das ist übrigens die Neue Kirche! Weit über 600 Teilnehmer wurden heuer gezählt - mehr sollen es nicht mehr werden, wie Muxel verkündete, um den nach wie vor familiären Charakter nicht aufs Spiel zu setzen.

Apropos Kirche: Den aufwändigen Umbau für den Sonntagsgottesdienst hat man sich heuer erspart - die Messe fand in der alten gotischen Kirche St. Nikolaus statt. Die Predigt hielt - auch das eine kleine Tradition - ein Teilnehmer des Philosophicums: Manfred Becker-Huberti, der ehemalige Pressesprecher der Erzdiözese Köln, seit Jahren Stammgast beim Denkertreffen am Arlberg.

Zurück zum Impulsforum: "Sei ganz ich!“ lautete die Aufgabenstellung. Doch Reinhard Haller meinte, wer es versuche, habe es in der Politik nicht leicht. Wer die gewohnten Wege verlasse, mache sich schnell verdächtig. Und der Künstler Erwin Wurm vermutete gar, das "System“ halte jeden zurück, der etwas (anderes) will. Die positive Ausnahme ist man immer selbst: Auf die Frage des Moderators Markus Spillmann (NZZ), wieviel Selbstinszenierung ein Künstler brauche, meinte Wurm lakonisch: "Ich nicht viel.“ (mit)

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