Wir wollen eine freie Bildungsarbeit leisten

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Die Furche: Die Volkshochschulen bieten derzeit in erster Linie allgemeinbildende Kurse an. Doch wird die berufsorientierte Ausbildung immer wichtiger. Wird dieser Zweig auch für die Volkshochschulen künftig einen höheren Stellenwert einnehmen?

Wilhelm Filla: Wir sind dabei, mit ganz gezielten Angeboten, stärker in den Bereich der beruflichen Bildung zu gehen. So bieten wir derzeit etwa 338 Kurse im Bereich der Telekommunikation an.

Die Furche: Es gibt auf dem Weiterbildungsmarkt bereits eine Fülle von Angeboten. Was hat jemand davon, einen Kurs an der Volkshochschule absolviert zu haben? Nützt ihm das beispielsweise bei einer Bewerbung?

Filla: Die Ideologie der Volkshochschulen war von Anfang an: keine Abschlüsse, keine Zertifizierungen. Wir wollen eine freie Bildungsarbeit leisten. Das war bis in die siebziger Jahre gültig. Heute vergeben aber auch wir, beispielsweise bei den Sprachen, Zertifikate. Das Problem dabei ist, daß diese Zertifikate nicht staatlich anerkannt sind. Es gibt eine ganze Reihe von Weiterbildungseinrichtungen, unter anderem das WIFI, das gar nicht auf eine staatlich Anerkennung für seine Zertifikate reflektiert, weil sich das WIFI als staatsferne Einrichtung versteht. Die Zertifizierung ist innerhalb der Volkshochschulen während der letzten zehn, 15 Jahre diskutiert worden. Ich persönlich bin ein Anhänger davon. Wir sollten in diesem Bereich vermehrt Angebote erstellen, damit Menschen nicht nur den Besuch eines Kurses nachweisen können, sondern auch die Qualität der Ausbildung. Das ist bei uns aber ein umstrittener Weg, das sage ich ganz offen. Denn es stellt sich immer die Frage, wer zertifiziert und wer kontrolliert. Im zweiten Bildungsweg, wo wir Berufsreife- und Studienberechtigungsprüfungen anbieten, ist das genau geregelt. Die Prüfungen werden von einer staatlichen Kommission abgenommen. Im Sprachbereich werden unsere Zertifikate von einer Prüfungszentrale in Frankfurt, die für ganz Europa tätig ist, ausgestellt. Aber diese Zertifikate sind nicht staatlich anerkannt. Und jetzt ist die Frage, ob sich solche Zertifikate am Markt gegenüber der Wirtschaft durchsetzen. Die WIFI-Zertifikate werden von der Wirtschaft anerkannt. Bei uns ist das noch sehr unterschiedlich.

Die Furche: Wäre es nicht wichtig, für die Zukunft eine einheitliche Zertifizierung zu erreichen, um eine gewisse Übersichtlichkeit zu gewährleisten?

Filla: Den größten Teil unserer Kurse kann man unter dem Schlagwort Persönlichkeitsentfaltung zusammenfassen. Hier wären Zertifikate unsinnig. Auch bei vielen Sprachkursen ist das nicht sinnvoll. Ich glaube aber, man sollte 15 bis 20 Prozent der Kurse zertifizieren. Die Teilnehmer können dann selbst auswählen.

Die Furche: Wie wollen Sie das erreichen, und sollten hier nicht alle Erwachsenenbildungseinrichtungen zusammenarbeiten?

Filla: Es gibt innerhalb der einzelnen Erwachsenenbildungseinrichtungen unterschiedliche Strategien. Wir gehen Schritt für Schritt vor und bieten vermehrt Kurse mit Zertifikaten an. Etwa im Bereich der Sprachen, auch Deutsch als Fremdsprache. Hier vergeben wir das österreichische Sprachdiplom. Es gibt das Modell des Computerführerscheines, und es gibt mehrere Lehrgänge, etwa Bildungsmanagement. Die Absolventen bekommen in diesem Fall das Zeugnis eines Universitätslehrganges. Wir haben erreicht, daß dieser Lehrgang auf universitäres Niveau gestellt wurde. Wie das die anderen Verbände machen, kann ich nicht so genau sagen. Was es derzeit nicht gibt, ist eine über die Verbandsgrenzen hinweggehende enge Kooperation, daß alle gemeinsam etwas entwickeln und vergeben.

Die Furche: Wäre das für die Zukunft nicht wesentlich?

Filla: In einer Erwachsenenbildungslandschaft, wo sich die Konkurrenz stärker als die Kooperation entwickelt, gibt es viele Abgrenzungsbestrebungen. Die Volkshochschulen sind eher, und ich betone eher, dafür offen. Aber das ist eines der heikelsten Fragen. Es gibt keine gesamtstaatliche Politik mit der Begründung: Erwachsenenbildung soll auch weiterhin die vielfältigsten Bedürfnisse durch unterschiedliche Einrichtungen abdecken. Der Staat versucht da eigentlich nicht einzugreifen.

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