Neben- und voneinander träumen

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Es sind nicht nur surreale Szenerien, die in unseren Träumen erscheinen: etwa zerfließende Gegenstände, wie man sie von den Gemälden von Salvador Dali kennt; überdimensionale Frauengestalten und verschwindend kleine Männerkörper, wie sie Alfred Kubin zu Papier gebracht hat; oder detailreiche Fantasiestädte, wie sie auch in der visionären Dichtkunst zu finden sind. Oft sind es ganz konkrete Menschen und Ereignisse, die in unsere Traumwelt hineinspielen. Dass aktuelle Interessen, Sorgen und Bezugspersonen in Träumen verarbeitet werden, wurde bereits von antiken Traumforschern beschrieben. Sigmund Freud prägte dafür den Begriff der "Tagesreste“.

Die moderne Traumforschung spricht heute von der empirisch fundierten "Kontinuitätshypothese“ - der Umstand, dass die Träume auch ein Spiegel des Tagesgeschäfts sind. Bleibt freilich die Frage, welche Faktoren wirksam sind, damit eine Erfahrung später im Traum wieder anklingt. Der Befund, dass es nicht so sehr die nüchternen Aktivitäten unseres Alltags sind, erscheint wenig überraschend. Weit mehr als die Arbeit am Computer finden emotional intensive Erlebnisse und unsere Beziehungen zu anderen Menschen Widerhall in der Traumwelt. Die Frage, wie oft das Bild des romantischen Partners durch die Träume geistert, liegt daher auf der Hand.

Träume-Austausch in der Ehe

Dazu gibt es mittlerweile sogar Langzeit-Studien mit großen Traum-Datenbanken. So wurden 6100 Träume eines verheirateten Mannes über 53 Jahre ausgewertet, wobei seine Frau immerhin in 20 Prozent der Träume anwesend war. Eine weitere Studie untersuchte mehr als 5600 Träume eines jungen Mannes in wechselnden Beziehungsphasen zu einer Frau über elf Jahre. Die Geliebte tauchte hier ebenso in rund einem Fünftel der Träume auf. Sogar Jahre nach Ende jeden Kontakts war die ehemalige Partnerin noch in manchen Träumen zugegen.

Bleibt weiter die Frage, wozu dieses Wissen denn nützen kann. Die Traumforscher erhoffen sich dadurch nicht nur Einsichten in die "Tagesreste“, sondern auch Rückschlüsse für die Psychotherapie, wie eine Trennung oder der Verlust eines Partners am besten zu bewältigen ist. Gerade im Todesfall können "Partnerträume“ hilfreich sein, da sie das Gefühl vermitteln, dass die verstorbene Person im Inneren weiterlebt. Auch heikle Themen wie Untreue können anhand von Träumen therapeutisch bearbeitet werden.

Das Mitteilen der Träume in der Ehe zeigte laut britischen Forschern jedenfalls einen positiven Effekt auf die Zufriedenheit der beiden Partner. Bleibt zuletzt die Frage, ob dabei wirklich jedes Detail erwähnenswert ist. Denn die Intimität der Traumwelt gebietet auch Respekt. Darauf verwies bereits der griechische Philosoph Heraklit: "Die Wachenden haben eine einzige und gemeinsame Welt, von den Schlafenden aber wendet sich ein jeder seiner eigenen zu.“ (mt)

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