Was ist grüne Chemie?

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Chemie ist, wenn es raucht und stinkt. Diese etwas saloppe Definition spiegelt gut das Bild des Faches in der Öffentlich wider: Es ist schlecht. "Der Makel, die Chemie verpeste die Natur, haftet auch den Absolventen an - und die wollen ein besseres Image", ist Marko Mihovilovic von der TU Wien überzeugt. Seinen Studenten lehrt der 38 Jahre junge Chemie-Professor deshalb die zwölf Prinzipien der grünen Chemie und praktiziert sie auch mit seinem Forschungsfeld: der Biokatalyse. Die Reaktionen laufen hier in wässrigen Lösungen ab, bei Raumtemperatur und unter Normaldruck. Die Vorteile liegen auf der Hand: Diese Chemie ist nicht giftig, nicht gefährlich, braucht mitunter weniger Zeit und auch Energie - und produziert oft weniger Abfall.

Biokatalytische Prozesse bilden so eine sowohl ökologisch als auch ökonomisch attraktive Alternative zu bisherigen Herstellungsverfahren. Das haben mittlerweile auch große Chemiekonzerne erkannt: Sie bauen in ihre Synthesen vermehrt biokatalytische Schritte ein. Um tatsächlich grüne Chemie zu betreiben, müssen freilich möglichst viele der zwölf Punkte erfüllt sein, wie Mihovilovic betont: "Es macht wenig Sinn, eine Biokatalyse zu machen und dann etwa mit Tetrachlorkohlenstoff - einem extrem toxischen Lösungsmittel - weiterzuarbeiten."

Mit innovativen Methoden chemische Produkte umweltschonender zu erzeugen, ist ein zentrales Anliegen der grünen Chemie. Ein anderes, sehr ehrgeiziges Ziel ist es, die petrochemischen Rohstoffe durch biogene zu ersetzen. Dabei kann "ersetzen" zweierlei bedeuten: Entweder werden die gleichen Stoffe, wie die Erdölindustrie sie produziert, aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Oder es werden neuartige Produkte entwickelt, die den petrochemischen ähneln. Zum Beispiel das Plastiksackerl, das nicht aus Polyethylen, sondern aus Kartoffelstärke gemacht ist. In beiden Fällen müssen die "grünen" Produkte wettbewerbsfähig und die Versorgungslage gesichert sein. Das ist eine Herausforderung, wie der Fall von Bioethanol lehrt: Selbst mit riesigen Anbauflächen ließe sich hiermit der heimische Bedarf an Kraftstoff nicht decken. Und leider konkurrenziert der Biosprit mit Lebensmittelpflanzen und hat damit die Preise für Nahrungsmittel nach oben getrieben. Doch mit einer intelligenteren Nutzung - etwa mit Holz als Ausgangsstoff oder einer kaskadischen Verwertung (bei der mehrere wertvolle Stoffe nacheinander abgetrennt werden) - sollten sich solche Fehler in Zukunft vermeiden lassen.

Mihovilovic wird im Rahmen eines Unterrichtsprojekts ab Herbst auch an 15 Schulen über die grüne Chemie referieren. Wer weiß, vielleicht schafft er es ja, der jungen Generation ein anderes Bild von der Chemie zu vermitteln: Wenn es raucht und stinkt, dann muss wohl etwas schief gegangen sein. TM

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