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Lämmer und Löwen

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Die Koalitionsvereinbarung der beiden Regierungsparteien enthält im Kapitel Sicherheit einige Hinweise auf Änderungen, die die Wanderungs- und Asylpolitik betreffen. So sollen unnötige Härten (was man unter nötigen Härten versteht, wird nicht erläutert) im Fremdenrecht beseitigt werden; die Schubhaftbedingungen sollen menschenwürdig ausgestaltet und auf jene Fälle eingeschränkt werden, in denen tatsächlich abgeschoben werden kann und soll. Das Problem nicht rückschiebbarer Asylwerber soll in Zusammenarbeit mit Flüchtlingsorganisationen gelöst werden. Außerdem sollen einwandfreie Menschenrechtsstandards und rechtsstaatliche Garantien für Asylwerber gegeben werden. Alles in allem Maßnahmen, die dringend notwendig und daher sinnvoll wären.

Begleitmusik besonderer Art kam allerdings von der Wiener Polizei. Unlängst stürmte sie nachts ein mobiles Notquartier in einer Wiener Pfarre, perlustrierte alle Anwesenden, nahm sechs Personen fest. Zwei Personen wurden einige Zeit später freigelassen, vier Personen, davon zwei aus dem Kosovo, befinden sich in Schubhaft. Negativ bemerkenswert ist zweierlei. Einmal wird, obwohl seit lan- ' gern bekannt ist, daß katholische Caritas und evangelische Diakonie Menschen, die sich im rechtsstaatlichen Niemandsland befinden, zumindest ein Dach über dem Kopf zur Verfügung stellen, in einer Nacht- und Nebelaktion in kirchliches Gelände eingedrungen. Zum anderen ist es unangebracht, Personen, deren Aufenthalt den Behörden ohnehin bekannt ist, in Schubhaft zu nehmen beziehungsweise Verhaftungen während offener Berufungsfristen vorzunehmen.

In wenigen Tagen gedenken wir des Kreuzestodes Christi und feiern seine Auferstehung. Ist es angesichts dieses Ereignisses von Ostern vermessen, daran zu glauben, daß Menschenrechte und öffentliche Sicherheit koexistieren können, wie es uns das biblische Bild des friedlichen Nebeneinanders von Lamm und Löwe vorzeichnet? Auch - und gerade durch das Engagement von Christen!

Der Autor ist

Präsident der Caritas Österreich

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