Die Verbündeten
DISKURSPflanzen und Menschen in der Religion
Die Vorstellung, dass Pflanzen das „fremde Andere“ des Menschen seien, ist alt. Doch die Beziehung zwischen ihnen und atmenden Lebewesen ist unmittelbar – auch in der Genesis.
Die Vorstellung, dass Pflanzen das „fremde Andere“ des Menschen seien, ist alt. Doch die Beziehung zwischen ihnen und atmenden Lebewesen ist unmittelbar – auch in der Genesis.
In der Stadt meiner Gymnasialzeit gab es am Bahnhof einen Platz mit rund zwanzig großen Linden, die da aus dem unversiegelten Boden wuchsen. Im heißen Sommer standen wir im Schatten der Bäume, aßen Eis aus der Konditorei und warteten auf den Bus nach Hause. Im Winter war der Platz optimal für Schneeballschlachten und andere Winterspiele. Irgendwann Ende der 1980er Jahre wurden alle Linden gefällt, um Platz für die Autobusse und einige wenige Parkplätze zu machen. Niemand mochte sich hier mehr aufhalten – im Sommer warʼs wie eine Bratpfanne, im Winter pfiff hier der Wind. Nach einigen Jahren pflanzte die Stadtverwaltung dann in die Betonwüste ein paar einsame Akazien, die mit ihren dünnen Blättern den Durchreisenden kaum Schatten geben.
Diese Geschichte entspricht einem Trend. In Österreich wurden in den letzten zehn Jahren rund 30 Fußballfelder pro Tag zubetoniert. Damit ist der Boden für Pflanzen und im Weiteren für das Lebendige verloren. Die Mentalität erinnert an eine kleine Bildgeschichte, die in der fernen Zukunft spielt: Ein Großvater geht mit dem Enkel auf einer Asphaltstraße spazieren. Schwarzer Block reiht sich an schwarzen Block. Plötzlich ruft der Enkel: „Da! Was ist das?“, und deutet auf ein kleines Pflänzchen, das sich aus einer Lücke im Asphalt ans Licht zwängt. Der Großvater stutzt, dann kommandiert er: „Ausreißen!“ Ein Pflanzenhasser, der selbst die Erinnerung an Lebendigkeit ausrotten will.
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