„Maiverfassung“ 1934: Als „christliche“ Politik in die Diktatur führte

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Vor 90 Jahren besiegelte die „Maiverfassung“ die Verquickung des Ständestaats mit der katholischen Kirche. Heute distanziert sich Letztere von dieser unseligen Allianz. Und das ist gut so.

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Vor 90 Jahren besiegelte die „Maiverfassung“ die Verquickung des Ständestaats mit der katholischen Kirche. Heute distanziert sich Letztere von dieser unseligen Allianz. Und das ist gut so.

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Dieser Tage jährt sich das Inkraft­treten der „Maiverfassung“ von 1934 zum 90. Mal. Ein Jahrestag, der kaum wahrgenommen wird. Umso erstaunlicher erscheint da die Erklärung, die der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, zu diesem Jahrestag ab­gegeben hat. Lackner bezieht sich darin auf jene Verfassung, „durch die unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß der nach ständisch-­faschistischen Prinzipien gebildete ‚Bundesstaat Österreich‘ etabliert werden sollte“. Schon diese Wortwahl überrascht, Lackner ordnet die Ständestaats-Verfassung auch in ihrer Bedeutung unmissverständlich ein: Sie sei „weitestgehend eine lediglich formelle Willensbekundung einer diktatorischen Regierung“ gewesen, „auch wenn sie ‚im Namen Gottes, von dem alles Recht ausgeht‘, verkündet wurde“.

Man darf nicht vergessen, dass die Maiverfassung auf die Februarkämpfe 1934 folgte, die zum Verbot der Sozialdemokratischen Partei geführt hatten. Die neue „Verfassung“ wurde von einem von den Sozialdemokraten gesäuberten Rumpfparlament mit Zweidrittelmehrheit gebilligt – selbstredend ein Vorgang, der mit der Verfassung von 1920/29 ebenso wenig vereinbar war wie die Tatsache, dass darüber keine Volksabstimmung stattgefunden hatte.

Zwischen Februarkämpfen und Juliputsch

Ebenso sollte nicht vergessen werden, dass nur Wochen später der Juliputsch der Nationalsozialisten stattfand, bei dem Dollfuß ermordet wurde. Die durch die Maiverfassung auch juristisch vollzogene endgültige Abkehr von der Demokratie hatte mitnichten die Eindämmung die NS-Gefahr zur Folge. Das war schon vier Jahre vor dem „Anschluss“ durch Hitlerdeutschland klar.

Die katholische Kirche war in die Ausschaltung der Demokratie tief verstrickt. Engelbert Dollfuß hatte am 11. September 1933 in seiner „Trabrennplatzrede“ – am Rande des „Allgemeinen Deutschen Katholikentags“ in Wien – die Ideologie eines berufsständisch organisierten Staatswesens formuliert. Explizit zitierte er dazu die Soziallehre Papst Pius’ XI.: „Wir werden ständische Formen und ständische Grundlagen, wie sie die Enzyklika Quadragesimo Anno uns so schön verkündet, zur Grund­lage des Verfassungslebens nehmen. Wir haben den Ehrgeiz, das erste Land zu sein, das dem Ruf dieser herrlichen Enzyklika wirklich im Staatsleben Folge leistet.“ 1933 wurde auch – nach mehr als 60 Jahren vertragslosem Zustand – ein Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und Österreich abgeschlossen, das Teil der Maiverfassung 1934 war.

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