Die erste und wichtigste politische Frage, die man sich 1974 in bezug auf Großbritannien stellen muß, lautet: Wird es in die- sem Jahr allgemeine Parlamentswahlen geben? Alle Anzeichen weisen ziemlich stark auf Wahlen im Februar hin. Auf Grund des britischen Wahlsystems müssen allgemeine Wahlen in einem Intervall von nicht mehr als fünf Jahren stattfinden. Edward Heath hat seinen unerwarteten Wahlsieg im Juni 1970 errungen. Das gegenwärtige Parlament könnte also im Höchstfall noch achtzehn Monate bestehen bleiben.
Obgleich sich der Verdacht aufdrängt, daß die Brandstiftungen und Briefbomben, die London beunruhigen, von der IRA stammen, fehlen dafür noch überzeugende Beweise. Allerdings gleichen die Techniken denen, die in jüngster Zeit in Irland angewandt wurden.
Täglich explodieren in Nordirland wieder Bomben, sterben Menschen beim Feuerwechsel. In Londonderry wurde von Mitgliedern der „Provisorischen” IRA in einer Fabrik im katholischen Teil der Stadt die- bisher größte Bombe gelegt (etwa 220 Kilogramm). Soldaten gelang es, die Bombe zu entschärfen. Was mit dieser augenscheinlich sinnlosen Tat, mit der man das Leben und die Existenz von Katholiken gefährdete, erreicht werden sollte, ist noch nicht ganz klar.Wer gehofft hatte, daß der neue Kurs der britischen Regierung — dieVertagung des nordirischen Parlaments und die entgegenkommendere
Wohl kaum eine Wirtschaftskrise in Großbritannien hat sich so schnell zugespitzt und hat so plötzlich dermaßen weitreichende Auswirkungen gehabt wie der jüngste Bergarbeiterstreik. Allerdings bestand der Konflikt zwischen den Bergarbeitern und dem staatlichen Kohlenamt bereits seit geraumer Zeit. Schon Ende vorigen Jahres hatten sich die Bergarbeiter geweigert, Überstunden zu machen.Im Anfang wurden beruhigend klingende Erklärungen abgegeben, worin es hieß, die Kraftwerke (die zu ungefähr 75 Prozent Kohle verwenden) hätten reichliche Vorräte. Der Winter war bisher ungewöhnlich mild.
Das in Großbritannien geltend System, wonach dem Premierminister die Festsetzung des Wahltermins überlassen bleibt, hat zur Folge, daß der Wahlkampf oftmals schon früh beginnt und lange anhält. Der Führer der konservativen Opposition, Edward Heath, muß damit rechnen, daß Premierminister Wilson schon dieses Jahr, im Frühling oder im Herbst, Neuwahlen ausschreiben läßt, oder aber erst imFrühjahr 1971 — das wäre der letztmögliche Termin.Die letzte Tagung des konservativen „Schattenkabinetts“ sollte nicht zuletzt gewährleisten, daß die Partei selbst im Fall baldiger Neuwahlen
Mit dem Wiederzusammentritt des Unterhauses am 9. Juni hat eine kritische Phase begonnen, die höchstwahrscheinlich für den Ausgang der nächsten Parlamentswahlen entscheidend sein wird. Oppositionsführer Heath befindet sich in einer angenehmeren Lage als Harold Wilson. Bei der vor kurzem abgehaltenen Nachwahl in dem stark konservativen Wahlkreis Chichester konnte der frühere Olympiasieger Chris Chataway eine Mehrheit von 26.000 Stimmen erzielen. Der Kandidat der Labour-Partei dagegen kam an die letzte Stelle, hinter den Liberalen. Nun wäre es aber nicht ratsam, aus diesem Wahlergebnis,