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Rettungsanker für Heath

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Die erste und wichtigste politische Frage, die man sich 1974 in bezug auf Großbritannien stellen muß, lautet: Wird es in die- sem Jahr allgemeine Parlamentswahlen geben? Alle Anzeichen weisen ziemlich stark auf Wahlen im Februar hin. Auf Grund des britischen Wahlsystems müssen allgemeine Wahlen in einem Intervall von nicht mehr als fünf Jahren stattfinden. Edward Heath hat seinen unerwarteten Wahlsieg im Juni 1970 errungen. Das gegenwärtige Parlament könnte also im Höchstfall noch achtzehn Monate bestehen bleiben.

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Die erste und wichtigste politische Frage, die man sich 1974 in bezug auf Großbritannien stellen muß, lautet: Wird es in die- sem Jahr allgemeine Parlamentswahlen geben? Alle Anzeichen weisen ziemlich stark auf Wahlen im Februar hin. Auf Grund des britischen Wahlsystems müssen allgemeine Wahlen in einem Intervall von nicht mehr als fünf Jahren stattfinden. Edward Heath hat seinen unerwarteten Wahlsieg im Juni 1970 errungen. Das gegenwärtige Parlament könnte also im Höchstfall noch achtzehn Monate bestehen bleiben.

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Zudem wollen die meisten britischen Premierminister nicht bis zum letzten Augenblick warten, bevor sie Neuwahlen ausschreiben. Sie versuchen für gewöhnlich, ungefähr in den letzten zwölf Monaten eine günstige Gelegenheit wahrzunehmen.

Bis vor kurzem hatte man allgemein angenommen, der Herbst 1974 sei der wahrscheinlichste Termin für eine Wahl. Doch in den letzten Wochen verstärkten sich die Mutmaßungen, daß der Premierminister bereits im Februar 1974 Neuwahlen ansetzt.

Der Grund für diese veränderte Ansicht ist die schwierige Wirtschaftslage, entstanden durch die Weigerung der Bergleute und der Lokomotivführer, Uberstunden zu leisten. Die meisten Firmen mußten ihre Arbeitswoche auf drei Tage reduzieren, bis die normale Versorgung mit Kohle wiederhergestellt ist. Einige Gewerkschaften schienen entschlossen zu sein, gegen die dritte Phase der Preis- und Einkommenspolitik der Regierung anzukämpfen, doch wurde diese Haltung offenbar von der Öffentlichkeit nicht unterstützt. Viele Anhänger der Konservativen Partei glauben, Parlamentswahlen im Zeichen der einfachen Frage: Wer regiert Großbritannien — die Regierung oder die Gewerkschaften? würden eine ansehnliche Mehrheit für Edward Heath ergeben.

Wer wird die Wahlen gewinnen? Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Denn wenn man nach den Ergebnissen der jüngsten Nachwahlen und Meinungsumfragen geht, dann sind beide großen Parteien, die Konservativen und die Labour-Partei, bei der Wählerschaft unpopulär.

Die Hauptschwäche der Konservativen, die 1970 mit dem Versprechen, den Preisauftrieb einzudämmen, die Wahlen gewonnen haben, ist, daß die Preise, und vor allem die Lebensmittelpreise, in den letzten beiden Jahren mehr gestiegen sind als je zuvor. Nun ist es allerdings richtig, daß die meisten dieser Preiserhöhungen auf Weltmarktfaktoren zurückzuführen sind, deren Kontrolle nicht im Machtbereich der Regierung liegt. Die Wählerschaft macht aber verständlicherweise die Regierung dafür verantwortlich. Die von Edward Heath verfolgte Politik des EG-Beitritts war ebenfalls unpopulär und hat bisher keine dem Wähler verständlichen Vorteile gebracht.

Unter normalen Umständen müßte das bedeuten, daß die Labour-Partei bei den nächsten allgemeinen Wahlen mit einem Sieg rechnen könnte. Viele Wähler haben jedoch den Eindruck gewonnen, daß die Labour-Partei nicht nur sehr in sich gespalten, sondern auch unter den Einfluß eines doktrinären linken Flügels geraten ist, der weitere Verstaatlichungen großen Ausmaßes fordert.

In dreieinhalb Jahren hat die Labour-Partei nur einen einzigen Sitz von den Konservativen gewonnen, im selben Zeitraum aber hat sie drei Sitze verloren — einen an die Liberalen, einen an einen Demokratischen Sozialisten und einen an die Schottischen Nationalisten.

Eine Partei, die über genügend Unterstützung in der Öffentlichkeit verfügt, um allgemeine Wahlen zu gewinnen, sollte wahrhaftig besser abschneiden.

Bleiben noch die Liberalen, eine Partei, die bei Nachwahlen eine bemerkenswerte Reihe von Siegen erringen konnte. Wird sie bei allgemeinen Wahlen auch so gut abschneiden? Wird sie der Labour-Partei oder den Konservativen mehr Stimmen abnehmen? Diese Fragen sind fast unmöglich zu beantworten. Sicher scheint aber, daß die Liberalen ihre Vertretung im Unterhaus erhöhen dürften und vielleicht gar das Zünglein an der Waage zwischen den beiden großen Parteien werden könnten.

Nach alldem bleibt nur ein möglicher Schluß: daß nämlich die politischen Aussichten in Großbritannien völlig ungewiß sind. Im Augenblick erscheinen allgemeine Wahlen sicher, ja sogar ein zweiter Wahlsieg für Edward Heath durchaus möglich. In drei Monaten könnte, aber alles wieder ganz anders aussehen.

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