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Es wird viel guten Willens von allen bedürfen…

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Das Votum der dänischen Wähler bei den Wahlen zum Folketing war eine eindeutige Entscheidung zugunsten der Zusammenarbeit Die siegreichen Sozialdemokraten und jene Parteien, die schon bisher Anker Jörgensens Minderheitskabinett gestützt hatten, verfügen im neuen Parlament über 103 der 175 Sitze. Was auf den ersten Blick wie eine solide Mehrheit aussieht, erweist sich allerdings beim näheren Betrachten als äußerst fragiles Gebäude. Es wird viel guten Willens von allen Seiten bedürfen, wenn Dänemark jene Stabilität wiedererlangen soll, die von den meisten seiner Wähler offenbar gewünscht wurde.

Die Zahlen des Ergebnisses dieser Wahlnacht vom 15. Februar zeigen, daß die Dänen die Mitte suchten. Der linke Flügel, bestehend aus Kommunisten, Linkssozialisten und Sozialistischer Volkspartei, der sich auf Grund der hohen Arbeitslosenzahlen Gewinne errechnet hatte, verlor ein Mandat. Am anderen Extrem gewann Mogens Glistrups Fortschrittspartei mit zwei Sitzen weniger, als noch vor wenigen Wochen die Meinungsumfragen prophezeit hatten. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 88,6 Prozent einen ähnlich hohen Wert wie bei den letzten Stimmgängen, obwohl die Wahl die dritte innerhalb dreier Jahre war.

Der große Verlierer der Wahlen, die bäuerlich-liberale „Venstre” Poul Härtlings, mußte für ihren mangelnden Zusammenarbeitswülen in den letzten Monaten büßen. Sie verlor 21 ihrer 42 Sitze im Folketing und wurde auch noch von der Fortschrittspartei als größte Oppositionspartei abgelöst. Die „Venstre”, die sich zuletzt als bürgerliche Alternative zur sozialdemokratischen Regierung gefühlt hatte, wird eine Neubewertung ihrer Politik vornehmen müssen, um das verlorene Terrain wieder aufzuholen. Die Partei war allerdings unter extrem ungünstigen Verhältnissen in die Wahlen gegangen. Ihr hoher Stimmenstand vom letzten Umengang war ein nicht wiederholbares Rekordergebnis, das der damalige Staatsminister Härtling erreicht hatte. Die anderen Parteien gaben der starren Haltung der „Venstre” die Schuld am Zusammenbruch der Jännerverhandlungen um ein neues Wohnbaugesetz, der zu den Neuwahlen geführt hatte. Als sich die Partei anschickte, die Wähler über die wahren Ziele ihrer Politik aufzuklären, lähmte der Arbeitskonflikt bei „Ber- lingske Tidende” jene Zeitungen, die ihr am positivsten gegenübergestanden waren. Besonders in Kopenhagen machte sich der Ausfall bemerkbar. Noch am Wahltag forderte die „bürgerlichste” aller auf dem Markt verbliebenen Hauptstadtzeitungen, die linksliberale „Politiken”, in einem Leitartikel ihre Wähler auf, der „Venstre”‘ diesmal einen Denkzettel zu verpassen. In manchen Teüen Kopenhagens verlor äie Partei dann auch drei Viertel ihrer Wähler.

Die Parteien, die sich im „Augustpakt” zu einer Zusammenarbeit verpflichtet hatten, vermehrten ihre gesammelten Mandate um 14. Freud und Leid waren bei ihnen aber recht ungleich verteilt. Die Sozialdemokraten gewannen mit einem ganz auf Anker Jörgensen zugeschnittenen Wahlkampf zwölf Mandate. Jene Parteien aber, die sich im letzten Jahr am meisten um die Zusammenarbeit verdient gemacht hatten, mußten schwere Verluste einstecken. Die Christliche Volkspartei verlor drei ihrer neun Sitze, die Radikalliberalen - durch interne Führungsschwierigkeiten zusätzlich belastet - büßten sieben Sitze ein und sind im neuen Folketing nur noch durch sechs Abgeordnete vertreten. Diese Verluste lassen die Mehrheit, die sich augenblicklich hinter Jörgensens Stabilitätsprogramm versammelt hat, unter einem weniger sicheren Licht erscheinen. Radikalliberale und Christliche Volkspartei stellten übereinstimmend fest, es könne ihnen nicht länger zugemutet werden, zugunsten einer breiten Regierungsbasis auf ihr eigenes Profil zu verzichten.

Die Konservativen, die immer nur mit Vorbehalten für den Augustpakt eingetreten waren, zogen den Nutzen aus diesem eigenen Weg und gewannen zu ihren zehn Mandaten fünf dazu. Ein geradezu sensationelles Comeback gelang Erhard Jacobsens Zentrumsdemokraten, denen-im Vorjahr die Meinungsumfragen noch das Ausscheiden aus dem Folketing prophezeit hatten und die nun ihre Mandatszahl nahezu verdreifachten und elf an Stelle von vier Abgeordneten stellen werden. Jacobsen hat im Wahlkampf einen heiklen Punkt der dänischen Politik berührt; er hat die „sozialistische Infiltration” in Kindergärten und Schulen, in Radio und Fernsehen at tackiert und damit vielen Wählern aus der Seele gesprochen, die zwar für eine breite Regierungsbasis mit den Sozialdemokraten an der Spitze, nicht aber für linke Refomen eintreten.

Jacobsen hat angekündigt, daß diese Fragen nicht mehr aus den Diskussionen verschwinden würden und daß er sich weigere, nur über Arbeitslosigkeit und Inflation zu sprechen. Er kann dabei mit der Unterstützung weiterer bürgerlicher „Augustpaktparteien” rechnen.

Die Mehrheit für Anker Jörgensen beschränkt sich also nur auf die wichtigen Gebiete der Einkommens- und Stabilitätspolitik. Sie soll Dänemark ruhigere politische Zeiten bringen. Aber für eine Mehrparteien- und damit Mehrheitsregierung ist noch keine Basis vorhanden.

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