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Soll man den Flirt mit Mogens Glistrup wagen?

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Mit einem Theatercoup ohne Folgen endete das politische Jahr in Dänemark. Die bürgerlichen Parteien hatten einen Antrag auf die Tagesordnung gesetzt, der besagte, daß die vieldiskutierte „ökonomische Demokratie“, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, nicht durch einen zentralen Fonds geschehen dürfe. Der Antrag hätte eine Regierungskrise auslösen können, denn die ihn stützenden Parteien hatten die Mehrheit des Parlaments hinter sich, obwohl die Sozialliberalen in gewohnt treuer Gefolgschaft zu den regierenden Sozialdemokraten gegen ihn stimmten. Doch die am äußersten linken Flügel angesiedelten Linkssozialisten sind - aus anderen Gründen als die Bürgerlichen - ebenfalls gegen diesen zentralen Fonds, den die Gewerkschaft so gerne möchte; und somit war Anker Jörgensens Kabinett in die Minderheit geraten. Besser gesagt, es wäre geraten. Denn da in einigen bürgerlichen Parteien nur „Selbstmordkandidaten“ den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen herbeisehnen, fehlten bei der entscheidenden Abstimmung dann plötzlich sehr viele Parlamentarier. Und die Sozialdemokraten umschifften die gefährliche Klippe...

Ein Theatercoup ohne Folgen, wie gesagt, wenn ihn auch die bürgerlichen Parteien als Demonstration verstanden wissen wollten, daß eine klare Mehrheit der Bevölkerung gegen die sozialdemokratischen Mitbestimmungs-Ideen ist, die schon in Schweden in ähnlicher Form Olof Palme den Staatsminister-Posten gekostet haben. Er demonstrierte aber außerdem ein entscheidendes Faktum dänischer Politik: daß die bürgerlichen Parteien die Mehrheit im Parlament hätten, wenn sie zueinander finden könnten.

In nüchternen Zahlen ausgedrückt, sieht das so aus: 90 Mandate sind zur absoluten Mehrheit nötig; die sieben nicht-sozialistischen Fraktionen haben zusammen ihrer 91. Zu ihnen kann noch Pouli Ellefsen gezählt werden, der einer der beiden nationalen Vertreter der Färöer-Inseln ist. (Der zweite Färinger und die beiden Grönländer im Folketing sind der Linken zuzurechnen.) Doch die Spannweite von den Sozialliberalen zur „Fortschrittspartei“ Mogens Glistrups war bisher immer zu groß, als daß die bürgerlichen Stimmen entsprechend gewinnbringend einzusetzen gewesen wären.

Damit will jetzt der konservative Wortführer Poul Schlüter Schluß machen. Er will künftig die Stimmen, die für die von allen anderen gemiedenen Glistrup-Partei abgegeben wurden, in seine Berechnungen einbeziehen. Bei der Fortschrittspartei stößt er dabei auf Gegenliebe. Auf deren letztem Parteitag hatte Mogens Glistrup seinem „Nein“ für Anker Jörgensen ein aufmunterndes „Come on, Poul“ folgen lassen, das gleichermaßen an Schlüter und den soeben zurückgetretenen Chef der bäuerlichen Liberalen, Poul Hartling, gerichtet war. Auch Hartlings Nachfolger sind für solche Töne empfänglich, sie sprechen von einer notwendigen Alternative zur sozialdemokratischen Regierung.

Aber für eine Mehrheit sind die Stimmen aller bürgerlichen Parteien notwendig. Und zwei von ihnen haben bisher zu erkennen gegeben, daß ihr Interesse an einer Zusammenarbeit mit Glistrup sehr gering ist. Die Sozialliberalen setzen lieber auf Anker Jörgensen und tun und lassen derzeit alles, wie es der Regierungschef befiehlt Die Christliche Volkspartei wiederum, die sich zuletzt den Konservativen und Bäuerlich-Liberalen genähert hat, sieht nicht die notwendigen Gemeinsamkeiten zwischen ihrem Programm und Glistrups Appell an den Egoismus. Ohne die zwölf Mandate dieser beiden Parteien ist der Traum von der bürgerlichen Regierung schon wieder ausgeträumt.

Die Skepsis, die im bürgerlichen Lager auch bei den anderen Parteien gegen eine Zusammenarbeit mit der „Fortschrittspartei“ besteht, ist durch schlechte Erfahrungen der Vergangenheit untermauert. Etwa die vom Februar 1975. Damals hatte Glistrup versprochen, er werde mit seinen Mannen ein bürgerliches Kabinett nicht zu Fall bringen. Als die erwählten Minister aber dann ihren Nadelstreif-Anzug angelegt hatten, um sich Königin Margarethe vorzustellen, wie das Protokoll es befiehlt, zog der Rechtsanwalt seine schützende Hand wieder zurück. Einen Blankoscheck könne er nicht ausstellen, meinte er plötzlich. Seither hat Dänemark wieder einen sozialdemokratischen Regierungschef ...

Diese Vorbehalte gegen die „Fortschrittspartei“ kennt auch Poul Schlüter, dessen Konservative nach langjähriger Durststrecke derzeit wieder einen Höhenflug erleben. Aber er glaubt an die Besserung, die Glistrup gelobt hat. Und er hat noch ein Argument zur Hand: Wenn die Sozialdemokraten auf ihrer Suche nach einer Mehrheit auch die Kommunisten und Linkssozialisten mitrechnen, dann sei es nur billig, die Glistrup-Wähler dem bürgerlichen Lager zuzuzählen.

Es gibt für das bürgerliche Lager freilich auch die Hoffnung, ohne Glistrup an die Macht zu kommen. Im Frühjahr soll im Prozeß gegen den Parteiführer der „Fortschrittspartei“ endlich das Urteil gesprochen werden. Ein Schuldspruch für die 2716 ökonomischen Vergehen, die der Staatsanwalt gezählt hat, ist - gelinde gesagt - wahrscheinlich. Dann aber.ist Glistrups politische Karriere zu Ende; und die 26 Mandate, die seine Partei errungen hat, werden wohl zur Gänze oder zum Großteil „frei“ werden.

Die Fortschrittspartei hat als Programm nur ihren Gründer, sie kann ohne ihn nicht überleben. Diese 26 Mandate, so lautet die bürgerliche Rechnung, könnten dann nach den nächsten Wahlen ein nicht-sozialistisches Kabinett zustandebringen. Diese Milchmädchenrechnung wird allerdings kaum aufgehen. Es ist ein offenes Geheimnis, daß Glistrup einen guten Teil seiner Wähler bei der gut verdienenden Arbeiterschaft gewann, die mit dem hohen Steuerdruck unzufrieden war. Diese Stimmen werden die Konservativen wohl nicht erangeln können, ohne sich als Partei der Nachfolger Glistrups zu deklarieren. Und vor diesem Schritt werden sie doch zurückscheuen, auch wenn ihr Wunsch nach Machtübernahme stark ist.

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