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Hoffen auf Isolierung

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Täglich explodieren in Nordirland wieder Bomben, sterben Menschen beim Feuerwechsel. In Londonderry wurde von Mitgliedern der „Provisorischen” IRA in einer Fabrik im katholischen Teil der Stadt die- bisher größte Bombe gelegt (etwa 220 Kilogramm). Soldaten gelang es, die Bombe zu entschärfen. Was mit dieser augenscheinlich sinnlosen Tat, mit der man das Leben und die Existenz von Katholiken gefährdete, erreicht werden sollte, ist noch nicht ganz klar.

Wer gehofft hatte, daß der neue Kurs der britischen Regierung — die

Vertagung des nordirischen Parlaments und die entgegenkommendere Haltung gegenüber der katholischen Minderheit — den Gewaltakten ein Ende machen würde, der dürfte heute eher enttäuscht sein. Wahrscheinlich stimmt es, daß die Mehrheit — vielleicht sogar die überwältigende Mehrheit — der nordirischen Bevölkerung, Katholiken wie Protestanten, weiterhin den Frieden wünscht. Prälaten und einfache Priester der katholischen Kirche haben zur Beendigung des Terrors aufgerufen. Während sich so viele gewichtige

Stimmen auf katholischer Seite für ein Ende des Terrors einsetzen, muß man sich fragen, warum die IBA ihre Kampagne fortführt. Die Antwort ist ganz einfach: sie lautet, daß viele Aktivisten auf beiden Flügeln der IRA an Gewalt um ihrer selbst willen glauben und darin nicht mehr ein Mittel für politische Zwecke sehen.

Die IRA weiß, daß sie unter den Katholiken in Nordirland an Anhang verliert, weil bei diesen der Wunsch nach Frieden verbreitet ist und sich immer mehr ausbreitet. Sie hofft, das britische Militär durch Angriffe zu Gegenmaßnahmen provozieren zu können, die wieder eine antibritische Stimmung entfachen und damit der IRA neuen Anhang verschaffen könnten. Sie befürchtet, daß man die Terrorkampagne nur sehr schwer wieder in Ganig bringen könnte, wenn sie einmal zum Stillstand gekommen ist. Auch darf man nicht übersehen, daß die meisten der IRA-Aktivisten junge Leute sind. Der sogenannte Kommandeur der „Provisorischen” IRA in Londonderry ist erst 24 Jahre alt Ohne Zweifel besteht eine gewisse Parallele zwischen Angriffen der IRA auf Soldaten und Polizisten in Nordirland und Studentendemonstrationen gegen das .^Establishment” in anderen Ländern.

Nun mag zwar der neue Minister für Nordirland, William Whitelaw, etwas enttäuscht sein, weil seine Politik der Aussöhnung noch nicht den Frieden gebracht hat. Aber nach wie vor lassen sich manche erfreuliche Anzeichen erkennen. Pastor Ian Paialey hat sich von der Kritik des früheren Premierministers Faulkner am britischen Kurs vor aller Öffentlichkeit distanziert. Exministerpräsi-dent Lynch hat durchblicken lassen, daß die Initiative des britischen Regierungschefs eine positive Reaktion seitens der Irischen Republik verdiene. Dies könnte eine Verschärfung der Kontrolle über die beiden Flügel der IRA bedeuten, die ihre Zentralen in Dublin haben und den größten Teil ihres Geldes und ihrer Waffen auf dem Weg über die Irische Republik erhalten. Und das Ergebnis der neuen Terrorkampagne in Nordirland könnte sein, daß die IRA von der katholischen Minderheit (auf deren Unterstützung sie letzten Endes angewiesen ist) noch mehr isoliert wird als zu irgendeiner Zeit seit dem Beginn der Unruhen vor drei Jahren.

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