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Ulster-Bevölkerung genießt die Freiheit von Lebensangst
Im erschütterten Nordirland könnte nach 25 Jahren blutiger Unruhen die Morgenröte des Friedens leuchten.
Im erschütterten Nordirland könnte nach 25 Jahren blutiger Unruhen die Morgenröte des Friedens leuchten.
Die Hoffnung gründet sich auf das anglo-iri-sche Bahmenabkom-men über die Zukunft Irlands, ein ausgewogenes, zwei Jahre ausgebrütetes Werk. Fehler der Vergangenheit werden peinlich vermieden. Harte Kompromisse werden gefordert - von jeder Seite. Dialog ist der einzige Weg zum Erfolg. Die Extreme Selbstbestimmung für ganz Irland hier und Selbstbestimmung für die einzelnen Provinzen da, stehen nicht zur Debatte. Eine nordirische Versammlung mit exekutiver und legislativer Verantwortung ist vorgesehen. Eine gesamtirische Körperschaft aus gewählten Vertretern der Versammlung im Norden und des Parlaments im Süden, ausgestattet mit konsultativer und „harmonisierender” Macht, wird gebildet. Die von beiden Begierungen verbriefte Charta schützt die zivilen, politischen und kulturellen Bechte aller Iren. Die Bepublik läßt den in ihrer Verfas-
sung verankerten Anspruch auf den Norde' fallen. Das Königreich anerkennt das Becht der Nordiren, ihr eigenes Geschick - ob in der Union mit der Krone oder in einem Vereinigten Irland -selbst zu wählen.
Die Geschichte des Bürgerkriegs in Nordirland ist voll von hochfliegenden Lösungsversuchen, die allesamt an der Unversöhnlichkeit von Katholiken und Protestanten gescheitert sind. Ein Vergleich der neuen Vorschläge mit dem Sunningdale-Äbkom-men von 1973, das schon nach einem halben Jahr in Wirren und Streik das Zeitliche gesegnet hat, drängt sich auf. Die Hauptelemente der Sun-ningdale-Lösung - Deklaration der Union, Machtteilung in der Stormont-Versammlung und Nord-Süd-Verbindung im „Irland-Bat” - kehren verändert im Bahmenab-kommen wieder. Damals aber wurden sie von den Unioni-sten vehement bekämpft, von der IBA mit verstärktem Terror quittiert.
Ein wesentlicher Unterschied besteht heute: Der neue Lösungsversuch erscheint auf dem Hintergrund eines erprobten Friedens. Nach der Feuereinstellung der IRA vor einem halben Jahr hat der Friedensprozeß seine eigene Dynamik entwickelt. Die Ulster-Bevölkerung, Katholiken wie Protestanten, hat sich an Ordnung
und Gewaltlosigkeit gewöhnt, läßt sich die Freiheit von Lebensangst nicht mehr so ohne weiteres aus der Hand nehmen.
Die Minderheit der katholischen Nationalisten vermißt im Dokument jenes Zugeständnis, für das viele Gesinnungsgenossen ihr Leben hingegeben haben: die Vereinigung mit der Bepublik.
In der protestantischen Gemeinde herrscht fatalistische Stimmung vor. Die Unioni-sten, besonders der radikale Pfarrer Ian Paisley, ergehen sich in ihrem gewohnten Vokabular: Komplott, Verrat, Ausverkauf, Kapitulation vor der IRA. Sie überhören die Zusicherung, sie hätten vom Dokument nichls zu befürchten. In der Verstocktheit der protestantischen Loyalisten liegt vorläufig die große Gefahr für den mutigen Neubeginn. Die Initiatoren des Entwurfes spekulieren auf den Realitätssinn und den pragmatischen Ansatz eines James Molyneaux, Ken Maginnis oder William Ross: Mögen die Unionisten gegenwärtig auch Feuer und Schwefel spucken, letzten Endes werden sie sich zu Gesprächen bereitfinden und die Initiative retten. Steigen sie aus, dann tragen sie die Verantwortung für eine mögliche Rückkehr des Terrors. Damit würden sie nur eine Zukunft riskieren, die ohne ihr Zutun geformt wird.
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