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Nordirland will Frieden

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Kommt der ständige Krisenherd Nordirland zur Ruhe? Die wichtigste Waffe gegen den von wenigen Extremisten geschürten Bürgerkrieg heißt: Arbeitsplätze. Österreich soll mithelfen.

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Kommt der ständige Krisenherd Nordirland zur Ruhe? Die wichtigste Waffe gegen den von wenigen Extremisten geschürten Bürgerkrieg heißt: Arbeitsplätze. Österreich soll mithelfen.

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„Wenn du arbeitslos bist, wachst du in der Früh auf und hast nichts, wofür es sich aufzustehen lohnt. Wenn du in Nordirland lebst und Katholik bist, fällst du dann sehr leicht der IRA in die Hände.“ James J. Eccles, von dem diese Aussage stammt, ist Präsident der nordirischen Katholisehen Männerbewegung (KMB). Er weilte unlängst in Wien und gab der FURCHE Auskünfte über die derzeitige Lage in Nordirland.

Zu verhindern, daß Katholiken der verbotenen IRA (Irische Republikanische Armee) beitreten, ist ein Hauptanliegen der KMB, die sich daher in erster Linie um praktische Dinge sorgt: Arbeitsplätze. Denn wer Arbeit hat, hat (und macht) auch weniger Probleme.

Die IRA hat den Weg der Gewalt gewählt, um für die Rechte der Katholiken zu kämpfen. Eccles lehnt Gewalt aus allen Richtungen und Gründen strikt ab und verurteilt auch das IRA-Bestre-ben, ein vereinigtes Irland herbeizuführen: „Denn die Republik Irland könnte Nordirland nicht so stark finanzieren, wie es derzeit die Briten tun.“

Unter den 500.000 Katholiken Nordirlands — die einer Million Protestanten gegenüberstehen — gibt es deshalb laut Eccles nur sehr wenige, die wirklich mit den Anliegen und Gewalttaten der IRA sympathisieren.

Eccles ist fest davon überzeugt, daß es die Schwierigkeiten in Nordirland stark verringert, wenn die KMB den Menschen helfen kann, Arbeit zu bekommen. In manchen Gebieten beträgt die Arbeitslosenrate unter den Katholiken 25 Prozent. Besonders in Londonderry und Belfast weigern sich die Katholiken, in protestantische Gebiete arbeiten zu gehen.

Wo die Lage besonders arg ist, greifen immer wieder die Briten mit Betriebsansiedlungen helfend ein. Eccles' Wien-Reise galt der Suche nach Unternehmern, die bereit sind, in Nordirland zu investieren. Ferner leitete er die Teilnahme nordirischer Geschäftsleute an der nächsten Wiener Messe mit einem eigenen Informationsstand ein. Auch zum „Britischen Festival“ 1986 sollen nordirische Repräsentanten nach Wien kommen.

Nordirlands KMB arbeitet bei der Schaffung von Arbeitsplätzen eng mit der britischen Regierung zusammen. James J. Eccles ist Mitglied in zwei Regierungskommissionen, die gleiche Rechte für Katholiken und Protestanten durchsetzen wollen. Es gibt sogar ein Gesetz, das jenen Arbeitgebern Freiheitsstrafen androht, die einen Protestanten gegenüber einem Katholiken (und umgekehrt) bevorzugen.

Laut Eccles war die Situation vor 15 Jahren viel härter als heute. Was damals unmöglich schien, ist 1985 nicht mehr außergewöhnlich: Katholiken und Protestanten arbeiten in manchen debieten miteinander, gründen gemeinsame Komitees und feiern Ökumene. „Nur zwei bis drei Prozent aller Einwohner machen wirklich Schwierigkeiten“, meint Eccles.

Versöhnungstreffen

Wer in Nordirland nicht Zeitung lese oder fernsehe, bemerke im größten Teil des Landes gar nichts von Unruhen, versichert der KMB-Präsident. Ein „Indu-stry-Development-Board“-Pro-spekt behauptet sogar, in Nordirland könne man wesentlich sicherer leben als in einer amerikanischen Stadt mit 250.000 Einwohnern.

Die Kontakte zwischen katholischen und protestantischen Bi-* schöfen sind nach Ansicht des KMB-Präsidenten sehr gut. Bei Heiraten zwischen Katholiken und Konfessionen sei das einzige

Problem die Entscheidung über den Religionsunterricht der Kinder. Sonst sind Familien kaum durch die Konflikte belastet, erst wenn die Heranwachsenden an die Universität kommen, bilden sich verschiedene religiöse Gruppen.

Beste Erfahrungen hat die KMB seit 15 Jahren mit Ferienlagern für Kinder aus beiden Konfessionen gemacht, für Jugendliche gibt es eine ähnliche, von einem protestantischen Minister ins Leben gerufene Initiative: wöchentliche Treffen junger Protestanten und Katholiken von Freitag bis Sohntag im Cormelia Cen-tre in Ballycastel.

Eccles' Traum: ein einiges Nordirland, gute Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Protestanten bei gleichem Lebensstandard. Er hält diesen Traum nicht für Illusion, sondern für tatsächlich machbar. Denn die Sehnsucht nach Frieden hat zugenommen.

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