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Eskorte für Ambulanz

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Der Tote hieß John Kavanagh und war 28 Jahre alt. Er wurde im Jänner in Nordirland erschossen. Eine Abordnung von Beamten des Scotland Yard reiste nach Belfast, um den Fall zu untersuchen, denn John Kavanagh hatte sich zu Lebzeiten als „Informant der Polizei" — so wurde seine Funktion diskret umschrieben — betätigt. Die Untersuchungen der Beamten führten auf die Fährte von weiteren zwanzig „mysteriösen Todesfällen" in den letzten Monaten, wobei angenommen wird, daß es sich bei den meisten um Morde gehandelt hat.

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Der Tote hieß John Kavanagh und war 28 Jahre alt. Er wurde im Jänner in Nordirland erschossen. Eine Abordnung von Beamten des Scotland Yard reiste nach Belfast, um den Fall zu untersuchen, denn John Kavanagh hatte sich zu Lebzeiten als „Informant der Polizei" — so wurde seine Funktion diskret umschrieben — betätigt. Die Untersuchungen der Beamten führten auf die Fährte von weiteren zwanzig „mysteriösen Todesfällen" in den letzten Monaten, wobei angenommen wird, daß es sich bei den meisten um Morde gehandelt hat.

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Audi auf der anderen Seite fließt das Blut häufig im geheimen. Bei ver-sdiiedenen Gelegenheiten feuerten britisdie Truppen auf Hedtensdiüt-zen, von denen sie, von Dädiem oder Wohnungsfenstem aus, besdiossen worden waren, ohne nadiher Verletzte oder Tote ziu finden. Anderseits bewiesen große Blutladien, daß sie getroffen hatten. Da die Opfer spurlos versdiwanden, wird angenommen, daß sie von ihren Kameraden „unter Verwendung verschiedener Fahrzeuge" (so Scotland Yard) über die Grenze in die Irische Republik gebracht wurden. Unter der konservativen Regierung sind zahlreidie Initiativen zur sozialen Besserstellung und zur politischen Integrierung der Katholiken im Sand verlaufen. Die Eskalation schreitet fort und die Verbitterung auf beiden Seiten nimmt ziu und auch die Katholiken wurden in den letzten Wochen wieder zunehmend militanter.

Die geheime Armee IRA, die noch voi zwei Jahren nidits zu sein schien als ein Gespenst, avii das sich mandie Kreise beriefen, um Reformen zu vermeiden, gab so deutlidie Lebenszeichen, daß an ihrer Neuformierung nicht mehr gezweifelt werden kann. Nordirlands Premier Chichester-Clark unterschrieb in den letzten Tagen neben verschiedenen anderen durch die .^Special Powers Act" gedeckten Anordniuigen audi einen Erlaß, der jeden mit Strafe bedroht, der sich an einem öffentlichen Ort auf eine Weise verhält oder mit Kleidungsstücken erscheint, welche die Vermutung nahelegen, er könnte ein „Mitglied oder Anhänger" der IRA

(Irish Republican Army) oder einer anderen quasimüitärischen, subversiven oder terroristisdien Organisation sein.

Polizei und Sidierheitsstreitkräfte widmen in letzer Zeit Rettiingsifahr-zeugen, die nachts fahren, ihr ganz besonderes Augenmerk: Die Ambulanzen werden aufgehalten, eventuelle Verletzte im Fahrzeug photo-graphiert und dann von der Polizei zum nächsten Spital eskortiert. Opfer bewaffneter Auseinandersetzungen sollen von nun an, so eine andere Anordnung des Premiers unter Berufung auf die „Special Powers Act", geriditlich zu Aussagen, wörtlich: „füll information to the police", gezwungen werden.

In diese PoJitifc der starken Hand, deren Exponent Ohid^ter-Clark immer sdion war (er zählte nie zu den Freunden der vor eineinhalb Jahren beschlossenen sozialen und politisdien Reformen), fügt sich auch eine verstärkte Präsenz von Scotland Yard in Nordirland. Nach einem Weekend, das Chichester-Clark für ausgiebige Diskussionen mit Premierminister Heath nützte, wurde die Bildung einer Special-squad von Detektiven des Yard beschlossen. Dem Vernehmen nach sollen schon in allernächster 2^it dreißig beson-

ders ausigebildete Beamte in Ulster eintreffen, um die Kriminalisten der von den Katholiken so giefürchteten Royal Ulster Constabulary zu unterstützen. Manche Beobachter vermuten, daß sie auch die Aufgabe haben könnten, Übergrifte, die der RUC bekanntlich immer zugetraut wurden, hintanzuhalten. Vier Mann unter Superintendent Paj^ton agieren bereits seit einiger Zeit in Belfast.

Der Labour-Abgeordnete Jerry Fitt (West-Belfast) deponierte unterdessen in London bei Minister Sharpies seine und fünf weiterer katholischer Abgeordneter Sicht der Lage. Die katholischen Abgeordneten vermis-

sen vor allem jede positive Bemühung der britischen Regierung, die auf eine politische Lösung der nordirischen Probleme hinsteuern könnte.

Vor eineinhalb Jahren haben Nord-irlan’ds Katholiken die Ankunft der Army begeistert begrüßt, denn sie kam, um sie vor Ausschreitungen aufgeputschter Protestanten, die ganze StraI5enzüge in den katholischen Vierteln niederbrannten, zu beschützen. Nach allem, was in den letzten Monaten geschah, sehen sie in der Army heute ein Werkzeug, sie unter Verhältnissen, die sciilechter sind als vor den Wirren des Jahres 1969, niederzuhalten.

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