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Kein Pardon für IRA-Kamikaze

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In der katholischen Kathedrale von Armagh beten die geistigen Führer von katholischer und anglikanischer Kirche Tür den lange ersehnten, aber zur Stunde so weit entfernten Frieden in Irland. Die ökumenische Feier und die gemeinsame Botschaft der Oberhirten ist eine leidenschaftliche Absage an den Terror.

Kurz vorher sagt der Erzbischof von Canterbury und Primas der anglikanischen Kirche, Dr. Runcie, zu seinen Gläubigen:

„Ich bete mit euch, daß moralische Auffassung und christliche Uberzeugung von irischen Männern und Frauen niemals durch die Lüge der Gewalt abgestumpft, daß ein Mörder niemals anders als Mörder genannt werde, daß die Spirale der Gewalt in keinem Augenblick Rechtfertigung durch unvermeidbare Logik und notwendige Vergeltung erhält."

Bischof Runcie hat auf allen seinen Stationen durch den Norden und Süden des geteilten Landes seine Absage an Gewalt, die Verurteilung paramilitärischer Organisationen vehement unterstrichen. An der katholischen Hierarchie bleibt freilich der Makel von Einseitigkeit hängen, von ungeschickter Interpretation der Ereignisse im Maze-Gefängnis.

Der Vorwurf von „Bewunderung vor der Gewalt" erhebt sich nicht etwa von der politischen und religiösen Gegenseite, sondern wurde von der profilierten britischen Politikerin Shirley Williams, einer praktizierenden Katholikin, ins Treffen geführt. Der katholische Primas Kardinal O’Fiach hat diese Anklage provoziert, weil er die britische Regierung gewarnt hat, sie würde den Zorn der gesamten nationalistischen Bevölkerung auf sich laden, wenn sie im Hungerstreik den Kompromiß ausschließt.

Mag diese Interpretation des um seine Herde besorgten Hirten auch überspitzt sein, der Kardinal bleibt doch bei seiner Befürchtung, die Aktion im Maze-Gefängnis führe zu einer verstärkten Polarisierung der Religionsgemeinschaften in der Provinz.

Westminster aber läßt sich weder durch eine Verstärkung des Terrors, noch von der öffentlichen Meinung in aller Welt von der eingeschlagenen Route abbringen.

Flexibilität ist das Schlagwort, das von Vertretern der Kirchen, von irischen Politikern und von Beteiligten in verschiedenen Nuancierungen vorgebracht wird. Wenn die britische Regierung nur etwas wandelbarer und nachgiebiger wäre, dann könnten die unvermeidlichen Folgen der Toten abgeschwächt, beseitigt werden.

Der Hungerstreik sei nur die „letzte Karte", die von der Terrororganisation IRA ausgespielt wird, indem sich Gewalt nicht nur gegen andere, sondern auch gegen sich selbst richtet, sagte Frau Thatcher in Ulster. Dadurch würde eines der ursprünglichsten menschlichen Gefühle mobilisiert: das Mitleid.

Was allerdings von der britischen Premierministerin als ein Hoffnungsschimmer ausgelegt wird, ist alles andere als Kapitulation vor der festen Haltung in Westminster: Der Abbruch des Hungerstreiks durch den IRA-Häftling McLaughlin spricht weniger für ein Nachlassen des Terrors, als für die mörderische Logik der IRA-Strate-gic.

Der Streikende wurde sofort durch einen anderen Kamikaze ersetzt, weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen ist, die selbstauferlegte Tortur im vorgeschriebenen Tempo durchzustehen.

Die Logik ist teuflisch: Ein Mensch darf weiterleben, weil er physisch so gebrochen ist und der Tod vor der Zeit zu erwarten ist.

Die „Provos" haben ihren Propagandaerfolg, ihre Helden und Märtyrer. Das Image der paramilitärischen Organisation hat sich in der Weltmeinung durch den Hungerstreik bedeutend gebessert. Die britische Bevölkerung ist von den täglichen Fernsehberichten autgewühlt: Särge, von vermummten Gestalten in Kampfuniform umgeben, oder von Soldaten, die einem aus dem Hinterhalt erschossenen Kameraden das letzte Geleit geben.

Solches verstärkt die Auffassung, die britische Regierung würde lieber Terroristen sterben lassen, als ihnen eigene Kleidung, mehr Mitsprache, bessere Kommunikation oder sonstige Vergünstigungen zu gewähren. Aber es geht um weit mehr.

Die Selbstmörder bezwecken mit ihrer Aktion die Behandlung wie Kriegsgefangene. Über humanitäre Fragen läßt Thatcher mit sich reden, nicht aber an der Tatsache rütteln, daß „Mörder Mörder genannt werden", also eine Unterscheidung in gewöhnliche Verbrecher und Kriminelle aus politischen Motiven gemacht wird.

Aus dem Süden ist der geballte Angriff auf London und die offene Unterstützung des Hungerstreikes unterblieben. Das hat seinen Grund: Premier Haughey steht vor Neuwahlen, die für II. Juni angesetzt sind. Seine Fianna-Fail-Partei hat im Wahlkampf die wirtschaftlichen Probleme des Landes -drückende Arbeitslosigkeit und haushohe Inflation - vor die aktuellen Probleme des Nordens geschoben.

Für Haughey ist Zurückhaltung maßgebend, obwohl er das vereinigte Irland nie aus den Augen verloren hat. Rücksichten haben ihn ebenso wie die beiden Oppositionsparteien veranlaßt, sich im Hungerstreik ruhig zu verhalten.

Zum einen steht durch ein offenes Engagement für die Vorgänge im Maze-Gefängnis das „neue Verständnis" auf dem Spiel, das Endedes letzten Jahres zwischen London und Dublin beim Gipfeltreffen mit Thatcher geschaffen und bekräftigt worden ist.

Und noch einen anderen Grund hat Haughey, sich Zurückhaltung aufzuerlegen und sich allein für humanitäre Erleichterungen einzusetzen: Offene Unterstützung für die Hungerstreiker würde mit Sicherheit ein starkes Aufleben der Gewalt im Norden zur Folge haben und damit verschütten, was als Durchbruch in der Nordirland-Frage gekennzeichnet worden ist.

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