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An den Round geschrieben

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EINE SENSATION, OIE KEINE IST, Dis Meldung vom Rücktritt Dr. Gorbachs vom Amt des Bundesparteiobmannes der ÖVP bestätigte nur, was der Bundeskanzler vor einiger Zeit im geselligen Kreis der Ausländskorrespondenten ausgesprochen hatte: „Im Herbst geh’ ich!” Das „Gehen gilt wohl vorläufig nur für den Posten des Obmannes der Partei, Dr. Gorbach wird also nicht auch gleichzeitig als Bundeskanzler zurücktreten. Die Tradition der Volkspartei erlaubt jedoch den Analogieschluß, daß binnen kurzem auch der Sessel des Regierungschefs frei sein könnte. Natürlich treten jetzt die „wohlinformierten’ Kreise auf den Plan, die möglichen Nachfolger werden jefzf als Figuren auf dem Schachbrett der Innenpolitik hin und her geschoben. Eines ist jedoch sicher: gerade der Rücktritt Dr. Gorbachs, der die undankbare Aufgabe hatte, einer so starken Persönlichkeit wie Julius Raab an der Spitze der Partei zu folgen, wirft eine Reihe von besonderen Problemen auf, mit denen sich die „Furche” noch eingehend beschäftigen wird.

WEDER „REFORMER noch „ANTIREFORMER”. Nach der aufsehenerregenden Rede des Abgeordneten zum Nationalrat und Sekretärs des Niederösterreichischen Bauernbundes Doktor Haider nahm nun auch Bauernbundpräsident Wallner in Graz die Gelegenheit wahr, den Standpunkt des Bauernbundes zur Frage der Aufrechterhallung der Koalition zu präzisieren. Bauernbundobmonn

Wallner betonte, daß sich der Bauernbund weder zu den sogenannten Reformern noch zu den „Antireformern” bekenne. Wallner erklärte weiter, daß der Bauernbund sich bis jetzt seines Einflusses enthalten habe, obwohl manche Kreise versuchten, hinter den Kulissen Politik zu machen; die Bauern werden aber von ihrem Recht der Mitsprache in allen innenpolitischen Fragen Gebrauch machen: „Alles aber zur richtigen Zeit und am richtigen Ort.” Die Anspielung Präsident Wallners bezog sich offenkundig auf den kommenden Parteitag der Österreichischen Volksparfei in Kla- genfurt, für den er außerdem ein einheitliches Vorgehen der Bauernbunddelegierten ankündigte. Der ÖVP- Bundesparteitag wirft immer stärker seine Schatten voraus.

DER „GRAUE MARKT’ ist wieder da. Der Schwarze Markt der trüben Nachkriegsjahre hat in unseren Wirtschaftswunderzeiten einen hellhäutigen Bruder bekommen, den Grauen Markt, wie ihn Wirtschaftsfachleute getauft haben. In einer Untersuchung der Arbeiterkammer wurde festgestellt, daß in siebzig von hundert Fällen mit beträchtlichem Rabatt gekauft wird. Die Liste der Artikel, die sich der Kundige erheblich billiger zu verschaffen weiß, ist imposant: Waschmaschinen, Kühlschränke,

Staubsauger, Fernsehapparate, Möbel, Teppiche, ja sogar Autos und Motorroller werden neben vielen anderen Produkten auf dem Grauen Markt gehandelt. Die Fragwürdigkeit der Kartellgesetzgebung wird da offenbar: Anscheinend sind die

Preise doch künstlich hoch gehalten, sonst würden die erheblichen Nachlässe, die „unter der Budei” gewährt werden, nicht möglich sein. Aber nicht nur der Konsument, auch der Einzelhandel leidet unter den Auswirkungen des Grauen Marktes: die Kalkulation ist nicht einfach, wenn die Kunden lieber direkt beim Erzeuger kaufen. Die Strafbestimmungen für Verstöße gegen das Rabattgesetz sind zwar sehr streng, doch anscheinend schreckt das die Händler vom Grauen Markt nicht ab. Wirtschaftsfachleute sind sich über einen Ausweg aus diesem Dilemma noch nicht einig. Einig dagegen sind sich aber die Käufer, die eine allgemeine Preissenkung diesen Nachlaßgewährungen auf „Schleich’pfaden vorziehen würden. Auch die Arbeiterkammer schlägt diese Lösung vor. Geschäftsleute, die mit Mißtrauen und Unbehagen die Rabattgewährungen ihrer Konkurrenten verfolgen, schließen sich dieser Meinung an. Doch was wird wirklich geschehen? Die Flüsterpropaganda wird weiterhin für die großzügigen Nachläße Reklame machen, die Kaufleute, die sich stolz afs Preisbrecher bezeichnen, werden weiterhin gigantische Umsätze erzielen, der „Graue Markt’ wird weiterhin blühen.

CHRUSCHTSCHOW IN BELGRAD- Der sowjetische Partei- und Regierungschef Chruschtschow ist zu einem für zwei Wochen angesetzten überlaschenden Besuch in der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad eingetroffen. Eine überaus heftige chinesische Reaktion lieferte die Begleitmusik zu den herzlichen Begrüßungsszenen nach russischem Muster. Der überraschende Besuch Chruschtschows hat wahrscheinlich den Grund, Jugoslawien Bedingungen für einen Eintritt in die Wirtschaftsorganisation des Ostblocks, COMECON, zu stellen. Pekings Angriffe gegen die jugoslawisch-russischen Gespräche richten sich vor allem gegen Jugoslawien, das, durch die chinesische Brille gesehen, durch seinen Revisionismus und sein Paktieren mit dem Westen ohnehin schon suspekt genug geworden ist. Eine Versöhnung zwischen China und der Sowjetunion scheint in immer größere Entfernung Zu rücken. Die Sensationsblätter in aller Welt finden im chinesisch-russischen Konflikt den lang ersehnten Ersatz ür die Seeschlange und treiben unverantwortliche Spekulationen mit der noch immer — trotz des Atomstopabkom- mens — von Kriegsangst geplagten Menschheit.

WIE IM KRIMINALROMAN. Während über die Kinoleinwand Schurken flimmern, die sich ausgewogenster psychologischer Raffinesse als Mordwaffe bedienen, während der Deiek- iv alter klassischer Schule ausstirbt, kommt aus England die Kunde von einem Eisenbahnüberfall, der den Schundbüchein der Gartenlaubezeit entnommen sein könnte. Die Gangster bedienten sich nämlich weder eines Hubschraubers oder automatischer Waffen, sie stellten ganz einfach ein Eisenbahnsignal auf Halt, bestiegen den Zug, ließen Lokomotivführer und Heizer am Chloroformfläschchen riechen und machten sich mit der Beute aus dem Staube. Ein Raubüberfall ohne Sensationen also? Keineswegs. Die Räuber erbeuteten nämlich einen Millionenbetrag, den größten, der je geraubt wurde. Phantasiebegabte Kinobesucher erinnern sich sicher noch des Kriminalfilms, in dem eine Gruppe entlassener Offiziere nach einem bis ins kleinste ausgearbeiteten Generalsfabsplan einen Bankraub durchführt, der dann doch an einer Kleinigkeff scheiterH’rÄftnlicH magi’es jetzt gewesen sein: Scotland Yard gab bekannt, daß der Anführer der Bande ein entlassener Major sein soll, der den Oberfal! nach solider Gene- ralsfabsschule geplant habe. Nun, das sind noch Vermutungen. Tatsache ist jedenfalls, daß noch selten ein Verbrechen von der Öffentlichkeit als spannender Weltkampf zwischen den Detektiven und den Gangstern angesehen wurde wie der britische Postraub.

REVOLTE IM ANDEREN KONGO.

Diesmal war es der ehemals französische Kongo, der durch blutige Unruhen Schlagzeilen in der Weltpresse machte. „Abbė” Youlou, der Staatspräsident des Landes, hat, durch Demonstranten gezwungen, die Regierungsgewalt der zweitausend Mann starken Armee übergeben. Die Hintergründe dieser Unruhen sind nicht ganz leicht zu durchschauen. Sprachen die ersten Gerüchte aus Brazzaville noch von Demonstrationen gegen das undemokratische Einparteiensystem Youlous und vom Ziel einer aus Gewerkschaftsfunktionären aller Richtungen gebildeten Gegenregierung, so scheint durch die Machtübernahme der Armee nun eine Art Militärdiktatur errichtet worden zu sein, die den Bürgern die ersehnten demokratischen Freiheiten wahrscheinlich weiterhin vorenthalfen wird. Völlig überraschend kam das von General de Gaulle persönlich angeordnete Eingreifen französischer Trupoen, die auf Grund eines Vertrages aus dem Jahre 1958 in der Kongorepublik stationiert sind. Frankreich unterhält Truppen in der Stärke eines Regiments, die aber, im Vergleich zur schlecht ausgerüsteten und undisziplinierten kongolesischen Armee, sehr wohl eine beachtliche Ordnungsmacht darstellen. Frankreichs Truppen, die jetzt wieder Gewehr bei Fuß stehen, dienen wohl nach außen dem Schutz der zahlreichen in Brazzaville lebenden Europäer, zeigen jedoch, daß Frankreich nicht gewillt ist, bei der Behandlung des Problems der ehemaligen Kolonien „belgische” Fehler zu begehen.

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