Die Suche nach dem gendergerechten Test

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Der viel beschworene "Gender Gap“ ist beim Eignungstest für das Medizinstudium (EMS) offenkundig: Seit seiner Einführung 2006 an den Medizin-Unis in Wien und Innsbruck haben sich konstant 55 Prozent Frauen beworben - mit dem Ergebnis, dass durchschnittlich nur 45 Prozent von ihnen aufgenommen wurden. "Anstatt die Frauen-Quote durch eine geschlechterspezifische Auswertung der Ergebnisse im Nachhinein zu heben, wird es ab 2013 einen gendergerecht konzipierten und österreichweit einheitlichen Aufnahmetest geben“, sagt Johannes Angerer, Pressesprecher der Medizin-Uni Wien.

In Graz bestand der bisherige Aufnahmetest neben einem naturwissenschaftlichen Teil aus einem Textverständnistest und einem "Situational Judgement Test“, der soziale Kompetenzen erfassen soll. Dennoch wurden heuer nur 42 Prozent Frauen aufgenommen. Ihr schlechteres Abschneiden ist auf den naturwissenschaftlichen Test zurückzuführen: "Vor allem in Physik und Mathematik haben die Männer wesentlich besser abgeschnitten“, berichtet Hans Peter Dimai, Vizerektor für Studium und Lehre an der Medizin-Uni Graz.

In Deutschland sind die Frauen erfolgreicher

"Unsere Daten weisen darauf hin, dass sich Männer intensiver mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen beschäftigt haben, denn die Mehrheit tritt wegen des Grundwehrdienstes erst ein Jahr später zur Prüfung an“, so Vizerektor Dimai. Für den neuen österreichweiten Test wolle man verstärkt auf soziale Kompetenzen setzen.

Der EMS wurde von dem in Deutschland bereits 1986 eingeführten Test für Medizinische Studiengänge (TMS) abgeleitet. Der TMS wurde dort wegen seiner hohen Kosten 1998 wieder abgeschafft. Seither vergeben die deutschen Universitäten ihre Studienplätze für Medizin individuell: 20 Prozent der landesweiten Plätze werden nach den Abiturnoten vergeben, 20 Prozent nach der Wartezeit der Bewerber. Für 60 Prozent der Plätze ist eine Kombination aus Abiturnote und hochschulspezifischen Kriterien wie Auswahltests, Interviews und Berufserfahrung ausschlaggebend. Das Ergebnis: Es werden mehr Frauen zugelassen. 2011 haben sich deutschlandweit 61,2 Prozent Frauen für ein Medizinstudium beworben, zugelassen wurden sogar 61,7 Prozent. "Studien belegen, dass Frauen von ihren besseren Abiturnoten profitieren“, sagt Bernhard Scheer von "hochschulstart.de“.

Auch in der Schweiz, wo der TMS seit 1996 eingesetzt wird, ist der "Gender Gap“ wesentlich geringer als hierzulande. "Die geschlechterspezifischen Zahlen blieben in allen drei Ländern über die Jahre praktisch konstant. Die Ursachen für das schlechtere Abschneiden der Österreicherinnen liegen wohl im österreichischen Bildungssystem“, meint Psychologe Günter Trost, der für den deutschen TMS verantwortlich ist. (ein)

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