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„Rein und anständig“

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„Wir hoffen“, so meint Dr. Friedrich Jellouschek, mit der Ausarbeitung von Gesetzen beschäftigter Ministerialrat im Unterrichtsministerium, „die Materie Anfang 1971 ins Parlament zu bringen“. Gemeint ist die Neufassung der „Allgemeinen Schulordnung für die Mittelschulen“, jene „Verordnung des Bundesministers für Unterricht“, die 1937 entstanden, 1938 nazifiziert und 1945 entnazifiziert wurde.

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„Wir hoffen“, so meint Dr. Friedrich Jellouschek, mit der Ausarbeitung von Gesetzen beschäftigter Ministerialrat im Unterrichtsministerium, „die Materie Anfang 1971 ins Parlament zu bringen“. Gemeint ist die Neufassung der „Allgemeinen Schulordnung für die Mittelschulen“, jene „Verordnung des Bundesministers für Unterricht“, die 1937 entstanden, 1938 nazifiziert und 1945 entnazifiziert wurde.

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Seit Jahren wird an der Schulordnung, die offensichtlich undemokratische Strukturen enthält, Kritik geübt. Der nun vorliegende Gesetzesentwurf soll Schülern ein Mitbestimmungsrecht in sie direkt betreffenden Angelegenheiten einräumen und im Falle von Sanktionen das Prinzip der „Waffengleichheit“ zwischen Schulbehörde und Schüler verwirklichen. So werden Bestimmungen, die sich 'mit „der Verletzung der schuldigen Achtung... im Verkehr mit den Lehrern“ und daher „Vergehen gegen den Gemeinschaftsgeist“ beschäftigen, ebenso entfallen wie etwa die Forderung, daß sich der Schüler „reinlich und anständig gekleidet“ in der Schule einzufinden hat. In dem Neuentwurf soll überhaupt davon abgegangen werden, Anpassung aus Angst vor Strafe zu erzielen und damit den Schüler in dauernden Konflikt mit seinen Lehrern zu treiben. Obskure Normen, wie: „Bleibt der Täter unentdeckt, so kann die ganze Klasse — unter Umständen auch mehrere Klassen — zum Schadenersatz verhalten werden“, werden, da man sich den Gefahren der Kollektivbestrafung und des daraus resultierenden Spitzelwesens bewußt ist, eliminiert. Vielmehr will man, wie es Dr. Jellouschek formuliert, „die Individuallage des Schülers berücksichtigen und ihn zu einem sozial orientierten Mitglied der Gesellschaft erziehen“. Der Ausschluß von der Schule, bislang, ob-zwar die schärfste Strafe, gern gehandhabt, wird, da es sich um eine pädagogische Bankrotterklärung handelt, nur noch angewandt, „wenn das Verhalten eines Schülers eine dauernde Gefährdung anderer Schüler hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt“. Dem Ausschluß wird ein formelles Verfahren, in dem die Grundsätze demokratischer Rechtsprechung verwirklicht sind, durch die Schulbehörde, die auf Ersuchen der betreffenden Schule judiziert, vorangehen.

Diese neue Schulordnung scheint geeignet, unter Ausschluß hohlgewordener Autorität neue Grenzen in den Beziehungen von Schülern zu Lehrern zu ziehen. Natürlich wird das nur ' allzuoft mit Emotionen angereicherte Verhältnis der Schüler zu ihren Lehrern weiter bestehen, und auch Jel-louscheck ist überzeugt, daß nun keinesfalls „ein demokratisches Paradies ausbricht“.

Er hofft jedoch auf einen „Lernprozeß der Lehrer — und auch der Schüler“.

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