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Was macht ein Muslim, wenn er unterwegs beten möchte und keine Moschee in der Nähe ist, aber eine Kirche? Ganz einfach, er geht in die Kirche hinein, stellt sich in Richtung Mekka und betet dann das muslimische Gebet.

Vielleicht wundert sich nun der eine oder andere Leser, wie das gehen kann. Aber in der Tat begegnet man dem Anblick nicht selten, dass Muslime in einer Kirche ihr Gebet verrichten. Das wurde in der islamischen Tradition keineswegs als verpönt angesehen. Im Gegenteil: Kirchen gelten für Muslime genauso als Gotteshäuser, wie Moscheen und Synagogen, die der Koran sogar geschützt sehen möchte (Koran 22:40).

Orte, an denen Gottes gedacht wird, sind besonders gesegnete Orte, sie sind Orte der Entfaltung inneren Friedens; Orte an denen das Göttliche im Menschen hervorgehoben wird. Gebetsstätten entstehen daher nicht erst dadurch, dass sie als solche gebaut werden, sondern es ist jeder Ort, wo Gottes gedacht wird, ein Gotteshaus. Daher befindet sich das größte und erhabenste Gotteshaus im Herzen des Gläubigen. Dort begegnet der Mensch Gott, dort wird der Mensch von Gottes Barmherzigkeit berührt, dort entflammt die Liebe zu Gott.

Es gibt daher so viele Gotteshäuser, wie es Herzen gibt, die mit Gottesliebe pulsieren. So gesehen, ist der gesamte Lebensentwurf eines Gläubigen Ausdruck eines ständigen Gebets, das als Prozess zu verstehen ist, den wir von der Geburt bis zum Tod verrichten. Wer sein Gotteshaus schön gestalten möchte, der muss schauen, dass sein Herz mit Liebe geschmückt wird. Was nutzen die schönsten Moscheen, Kirchen oder Synagogen, wenn nicht die Herzen der Menschen, die sie besuchen, die göttliche Schönheit ausstrahlen? Wir debattieren sehr viel über den Bau von Moscheen und Minaretten, schade jedoch, dass wir kaum vom Aufbau der Herzen reden.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster

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