Antike Helden als schräge Vögel

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Shakespeares "Troilus und Cressida" ist Regisseur Bachmann leider nur teilweise geglückt.

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Shakespeares "Troilus und Cressida" ist Regisseur Bachmann leider nur teilweise geglückt.

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William Shakespeares düstere Tragödie "Troilus und Cressida" trieft vor Verachtung und Spott für die menschliche Kreatur; dementsprechend selten wurde sie gespielt. Ein gefundenes Fressen für Regisseur Stefan Bachmann, der bei seiner Interpretation des Trauerspiels für die Salzburger Festspiele, was Skurilität, Deftigkeit und Blut-rünstigkeit anbelangt, aus dem vollen schöpfen kann. Im Stadtkino werden aus den Helden Griechenlands und Trojas, die sich um die bei Bachmann gar nicht so schöne Helena streiten, schrill gezeichnete Protze, die unter archaischem Gebrüll wie Catcher oder Eishockeyspieler aufeinander losgehen: Agamemnon - ein dröger Helmut-Kohl-Verschnitt (Jörg Schröder); Odysseus - ein verklemmter Streber, der sich am Ende zu einem kleinen Goebbels mausert (Vincent Leittersdorf); Helena-Entführer Paris - ein gealterter, verweichlichter Gigolo (Tilo Nest); Achill - ein fetter Widerling (Josef Ostendorf). Der einzige einigermaßen normale Mensch ist Troilus (Sebastian Blomberg), einer der trojanischen Prinzen, der vor Liebe zu Cressida (Gesine Cukrowski) vergeht. Doch ihm ergeht es schlecht: Seine zickige Angebetete hält ihn zuerst auf Distanz und nach der langersehnten Hochzeitsnacht wird sie an die Griechen ausgeliefert. Obwohl sie Troilus ewige Liebe geschworen hat, vergnügt sich das selbstbewußte Girlie schon bald mit dem schleimigen Diomedes (Thomas Reisinger) - und das vor Troilus' Augen.

Detailgenau und sehr komisch zeichnet das hervorragende Ensemble die von Shakespeare und Bachmann ersonnenen Charaktere. Ein Vergnügen! Doch gegen Ende läßt der Regisseur die unaufhaltbar dem grausamen Höhepunkt zusteuernde Geschichte entgleisen: Das finale Gemetzel - jene Schlacht des Trojanischen Krieges, in der Hektor von Achilles getötet wird - ist nur mehr eine Abfolge von Handlungsfetzen, liebevoll geflochtene Erzählstränge finden keinen Abschluß. Hier verspielt Bachmann fast die gesamte Aufführung. Schade.

Nicht unerwähnt bleiben darf die Musik, die "Troilus und Cressida" untermalt: Welche Töne Christian Zehnder und Balthasar Streiff mit verschiedensten Blasinstrumenten, Ziehharmonika und Stimme hervorbringen, ist beeindruckend - und zeugt davon, wie weit Filmästhetik schon ins Theater eingeflossen ist.

Bis 30. August

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