Figuren am Schlachtbrett

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Shakespeares zynisches Drama "Troilus und Cressida" als müder Klassiker am Burgtheater.

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Shakespeares zynisches Drama "Troilus und Cressida" als müder Klassiker am Burgtheater.

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Nur Spott und Hohn hat William Shakespeare in seinem Drama "Troilus und Cressida" für die menschliche Kreatur übrig. Kein Wunder, daß es in früheren Zeiten verhältnismäßig selten gespielt wurde, erst in der heutigen Zeit erfreut sich das bittere Drama über die Sinnlosigkeit des Krieges und der Unmöglichkeit von Liebe einer größeren Aufmerksamkeit. Ausgerechnet "Troilus und Cressida" hat der britische Regisseur Declan Donnellan nun als waschechten Klassiker auf die Bühne des Wiener Burgtheaters gebracht. Als Klassiker, das heißt positiv formuliert: in Betonung seiner zeitlosen Gültigkeit, in Respekt vor der Schönheit und dem Pfiff seiner Sprache; negativ ausgedrückt: fernab der heutigen Welt - ein rein ästhetisches Vergnügen. So etwas kann überhaupt nur gutgehen, wenn einem - wie am Burgtheater - ein erstklassiges Ensemble zur Verfügung steht.

Aber es geht nicht gut. Trotz der guten Besetzung (Wolfgang Gasser als Nestor!) kann unter dem Zepter Donnellans kaum eine der zahlreichen Figuren wirklich Profil entwickeln. Die griechischen und trojanischen Recken unterscheiden sich durch nichts als die Farbe ihrer Uniformen und ihre Haartracht, das ist wohl die Idee, und schlagen sich allein wegen - wie sie selbst zugeben - eines Hahnreis und einer Hure, wegen Paris und der von ihm geraubten Helena gegenseitig die Köpfe ein.

Lediglich der zynische Narr Thersistes, köstlich verkörpert vom glänzenden Robert Meyer als Buffo-Ausgabe eines Flintenweibes und der gehörnte Menelaos, eine kleine Rolle, die von Urs Hefti mit großem Komödiantentum aufgewertet wird, schlagen aus der Art. Nichts anzufangen wußte man mit der Figur des Kupplers Pandarus (Peter Matic), ihr Anachronismus ließ sich auch durch weißes Tuch und tuntiges Gehabe nicht übertünchen. Die Titelfiguren stehen schon bei Shakespeare eher am Rande denn im Zentrum: Troilus (Lukas Miko), dessen Scheitern belanglos scheint und Cressida (Birgit Minichmayr), die zwar schon zu Beginn ungeniert mit ihrem Diener flirtet, sich jedoch, aus den Armen des Troilus ins Lager der Griechen gezerrt, allzu schnell und kaum nachvollziehbar dem eisigen Diomedes (Anian Zollner) hingibt.

Eine dreistöckige, ebenso wuchtige wie karge Holzkonstruktion (Bühne: Nick Ormerod), steht für die noch unüberwindlichen Mauern des todgeweihten Troja, verwandelt sich beim finalen Gemetzel, indem der ehrhafte Hektor (Wolfgang Michael) vom perfiden Achilles (Wolfgang Maria Bauer) getötet wird, in das Modell eines Brettes, in dem die Figuren im grausamen Spiel des Krieges einander symbolisch Schach bieten und matt setzen. Diese statische Auflösung der Schlacht besitzt zwar Eleganz, harmoniert aber nicht mit dem Rest der Inszenierung. Wenn schon altmodisch, dann auch mit spektakulären Schwertkämpfen, daß die Funken fliegen!

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