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Der große Senusso

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Vor einiger Zeit wurde die Wek durA die NaAriAt überrasAt, London be- absiAtige, der Cyrenaika die Selbstregierung zu geben und den Senussiführer Emir Idriss als Haupt einer Regierung anzuerkennen.

Ebenso wie in Palästina im ersten Weltkrieg war man in Libyen im zweiten Weltkrieg mit einer Politik der politisAen und territorialen VerspreAungen vorgegangen, um die Hilfe der Senussi für die Alliierten zu gewinnen. Man hatte ihnen feierliA zugesagt, daß sie nie wieder unter italienisAe HerrsAaft kommen würden, um so mehr, da Emir Idriss ein unversöhnliAer Feind Italiens ist, der nur um Haaresbreite der „Befriedungsaktion“ Grazianis im Jahre 1932 entging. London betonte, daß durA die britisAe Deklaration über die Selbstverwaltung der Cyrenaika der EntsAeidung der UNO über die italienisAen Kolonien niAt vorgegriffen werden solle und die Cyrenaika im übrigen unter der Oberhoheit der britisAen Verwaltung bleibe.

Das Mittelmeer gebiert neue Staaten. NaA Israel, sAicksalsträAtig, weil von enormer Willenskraft, Ambition, völkisAer Ausweitungskraft, finanzieller Fundierung und historisAer Erfahrung, nunmehr der Senusso, Emir der Cyrenaika, hinter dem der SAatten einer GroßmaAt steht.

Der Emir Mohamed Idriss el-Senussi oder einfaA Sidi Idriss, der große Senusso, den England als Haupt eines Staates der Cyrenaika anerkennt, wird sich in nächster Zeit naA England begeben, um Ae konkreten Grenzen seiner Souveränität festzulegen. Die Engländer, die großen Praktiker des VölkerreAts, die siA nie in den MasAen sAematischer Traditionen fangen, werden siAer eine Formel finden, die einen Besitz siAert, doA gleiAzeitig ihr demokratisAes Gesicht wahrt.

Die UNO wird im September über diesen fait occompli diskutieren, um ihn zu sanktionieren. Man stellt sich daher heute in dem vor allem interessierten und besorgten Italien die Frage: Wie weit wird siA der Seaussistaat naA Westen erstrecken? England verlegt in letzter Zeit die politisAe Grenze der Cyrenaika weit über El Agheila hinaus naA Westen, einige 100 Kilometer weit in tripcditanisAes Gebiet hinein, fast bis Misurata, zur großen Enttäuschung der tripolitanisAen Bevölkerung.

England hat heute den alten Ambitionen der Senussi Gestalt gegeben, den expansiven, um niAt zu sagen aggressiven und ansteckend wirkenden Ambitionen der hetero- doxen islamitisAen Reformbewegungen. England müßte siA an niAt zu weit zurückliegende Episoden erinnern können, da es selbst schon mit den Senussi zu tun hatte. 1916 sAlugen siA die Senussi auf die Seite der MittelmäAte und unternahmen unter anderem eine große Aktion gegen Sollum,

überwanden die anglo-ägyptisAen Küstenstationen, vereinigten siA mit einigen arabisAen Stämmen und drangen bis Matruk vor. Erst bei El Aggaghir konnten die Briten dem Vordringen einen Riegel vor- sAieben, wobei zum erstenmal auf afrika- nisAem Boden Panzer verwendet wurden.

Den realpolitisA denkenden Völkern bietet die GesAiAte keine Lektionen. Wir werden daher — unbesAadet der Stellungnahme der UNO — einen islamitisAen Senussistaat in der Cyrenaika haben, mitten im strategisAen Interessengebiet der großen WestmäAte, obwohl siA die Kolonialexperten sehr wohl an die sAwankenden Absichten, den unsiAeren Einfluß und die wenig stabile MaAt der Mitglieder der Senussifamilie erinnern müßten, mit deren FreundäAaft, Unterwürfigkeit und Willen zur Zusammenarbeit man nur sehr be- sAränkt und nie für lange Zeit reAnen kann. Dieser Senussistaat ist wohl das Ziel, das dem Gründer der BrüdersAaft — Mohamed ben Ali es-Senussi el-Chebir — vor- sAwebte. Dieser wurde 1787 in Algerien geboren, lebte in Marokko, Tunis, Tripoli- tänien, der Cyrenaika und landete sAließ- liA in Ägypten. Aus Kairo ausgewiesen, pilgerte er naA Mekka, dessen Gelehrte ihn wegen seiner These der freien Interpretation der Offenbarung des Korans verfolgten.

WelAes ist der Inhalt der Lehren der Senussiten, dieser Reformatoren des Islams? Sidi Ahmer es-Sherif, das dritte Oberhaupt der Brüderschaft, lehrte: „Da Fundament des Ordens besteht in der innerliAen Versenkung des Adepten in die Betrachtung de Wesens des Propheten and in seiner äußer- liAen Verehrung, durA NaAahmung seiner Handlungen, Befolgung seiner Aussprüche und Lobpreisung, bis der Adept von der Verehrung des Propheten so weit diurAdrungen ist, daß die einfaAe Nennung seines Namen seine Seele in SAwingung versetzt und er dessen Gestalt ständig vor seinem geistigen Auge hat.“

Gegen 1840 begab siA der Gründer in die Cyrenaika und erriAtete den Sitz der BrüdersAaft zuerst in El Beda, später in Djarabub, da ihm die Cyrenaika als das Gebiet geoffenbart wurde, das dazu bestimmt wäre, die Wiege der Erneuerung des Islams zu werden, von -wo die neuen SAaren der Gläubigen und Kämpfer eines Tages auf- breAen würden, um alle Muselmanen um siA zu sammeln. Diese Offenbarung sAeint heute, zumindest teilweise, dank eines SAaAzuges der britisAen Politik, wahr zu werden. Wo der Gründer ersAien, standen neue Gefolgsleute auf. NatürliA fand er in der Cyrenaika die meisten Proselyten, und es wurde dort die größte Anzahl Zäuien er- riAtet. Di Zäuie ist ein Aktionszentrum des Ordens und besteht aus einem Heiligtum mit angesAlossenen Lokalitäten, die al SAule und als Hospiz dienen. AuA im Inneren Afrika fanden die Senussi Einfluß. Die Franzosen, auf ihrem VormarsA vom TsAadse nach Norden, mußten mehr al ein Jahrzehnt gegen die Senussiten kämpfen, deren Zäuien sie naA und naA verniAteten. Diese Aktion FrankreiAs trug dazu bei, das Ansehen der Senussi in Tripolitanien zu verringern, dessen Bevölkerung aus versAiedenen Gründen, sowohl wirtsAaftlicber als auA religiöser Natur, dem Senussitentum niAt anhing. Da siA dies auA bis heut niAt geändert hat, ist sie um 60 weniger geneigt, einer direkten Autorität der Senussi zuzustimmen.

Das Problem wird niAt einfaAer dadurA, daß auA weite arabisAe Kreise Libyens siA entsAieden gegen den Senusso einstellen..

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