Berührende Textur aus Sprache, Musik und Spiel

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Uraufführung im Kasino am Schwarzenbergplatz: Péter Esterházys umfangreicher Familienroman „Harmonia Caelestis“ als komprimiertes Musiktheater, beim dem die Musik das zentrale Bindemittel in der eleganten Inszenierung des ungarischen Regisseurs David Marton ist.

Bei David Marton ist jeder Sohn auch einmal Enkelsohn und jeder Vater einmal Sohn. Die Generationen unterliegen dem Wandel der Zeit wie auch die Politik, die Mode, die Todesarten. Nur „wer eine Cousine ist“, bestimmt weiterhin der Esterházy’sche Patriarch: Mátyás Graf Esterházy war der Vater des Autors Péter Esterházy, dessen umfangreicher Familienroman „Harmonia Caelestis“ (2000) nun als komprimiertes Musiktheater im Kasino am Schwarzenbergplatz zu sehen ist.

Der 32-jährige Regisseur David Marton gilt als eines der größten Talente. Der gebürtige Ungar mischt in der Uraufführung nicht nur Jazz mit Klassik und Sprechtheater, sondern baut auch – ein wenig versteckt – sich selbst als Sohn und damit Teil der ungarisch-österreichischen Geschichte ein, die Esterházy erzählt: Am Ende der zweistündigen, eleganten Inszenierung kleben sich Großvater und Enkelsohn ein Kinnbärtchen unter die Lippe und sehen für einen Moment wie Marton selbst aus.

Eine Geschichte des Untergangs

Schließlich ist Esterházys Geschichte nicht nur ein nostalgisches Familienepos, gewürzt mit großen Namen (etwa Joseph Haydn als Hofkapellmeister der Fürsten Esterházy), sondern auch die Geschichte des Untergangs des Ancien régime.

Auf der Breitseite des Kasinos ist dieser Wandel sichtbar gemacht. Die heile Welt des bürgerlichen Salons bricht sich an Stockbetten und einem Berg Umzugskartons, die auf Verfolgung, Krieg und Flucht hinweisen. Damit verbindet der Raum auf unspektakuläre Weise die Geschichte des Adelsgeschlechtes Esterházy mit der sozialistischen Vergangenheit – zentrales Bindemittel ist bei Marton die Musik: Mit Haydn, Bartók, Schubert, Mozart und Morricone singen sich die Darsteller durch Esterházys Epos.

„Paps ist der Beste“ ist das aussagekräftigste Lied: Der Held ist der Vater, den Peter Matic als liebenswürdigen Schlingel spielt. Trotz Deportation behält er seinen Humor und tanzt mit der Familie durch den Raum, mit der Tochter (dargestellt von der großartigen Marthaler-Schauspielerin Bettina Stucky), dem Sohn Peter (Philipp Hauß), seiner Frau (mondän: Jazzsängerin Yelena Kuljic) und dem Enkel (leichtfüßig und mit wunderbarem Knabensopran: Johann Ebert).

Der Schluss stammt aus dem Nachfolgewerk „Verbesserte Ausgabe“ (2002): Stellvertretend für Péter Esterházy betritt die Souffleuse das Büro des Vaters und holt ein Dossier hervor, das dessen Spitzelexistenz ans Licht bringt.

Die berührende Textur aus Sprache, Musik und Spiel – die im besten Sinn an Christoph Marthaler denken lässt – hält Pianist Jan Czajkowski zusammen, der selbst wie aus einer fernen Zeit wirkt.

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