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Vom Kuscheltier zum Sammlungsobjekt - eine Kulturgeschichte des Teddybären.

Was ist ein Jungfrauenaquarium? An dieser Frage bissen sich vor einiger Zeit die Gäste einer deutschen tv-Show die Zähne aus. Die richtige Antwort: So heißt im Volksmund die alte gläserne Fabrikshalle der Firma Steiff, in der Teddybären hergestellt wurden - vor allem von Frauen. Der lichtdurchflutete, gut belüftete Bau aus Stahl und Glas war zur Zeit seiner Errichtung, 1903, architektonische Avantgarde - eine Vorwegnahme der Moderne mitten in der deutschen Provinz, in Giengen an der Brenz. Auch wenn man Teddybären für gewöhnlich mit allem anderen als mit Innovation verbindet, waren die putzigen Kuscheltiere doch von Anbeginn eng an den technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt gebunden. Das ist auch heute noch so, denn ansonsten stünde es schlecht um die Zukunft des Teddybären als Kulturphänomen.

"Teddy" Roosevelt ...

Unter dem futuristischen Namen 55PB präsentierte Steiff 1903 den ersten Teddybären auf einer Spielzeugmesse. Die neue Erfindung schlug zuerst in den usa wie eine Bombe ein. Dort erhielt der Plüsch-, genauer: der Mohairbär seinen Namen. Dieser geht zurück auf eine Karikatur, die us-Präsidenten Theodor "Teddy" Roosevelt mit einem Spielzeugbären zeigte; der us-Präsident hatte sich bei einem Jagdausflug geweigert, einen ihm vor die Flinte getriebenen Bären zu erlegen.

Es war nicht das erste Mal, dass der Name Steiff Kulturgeschichte schrieb: Firmengründerin Margarethe Steiff hatte das allererste weiche Spielzeug für Kinder auf den Markt gebracht. Eigentlich hatte sie ein Nadelkissen in Form eines Elefanten produzieren wollen, doch die schwäbische Schneiderin bemerkte, dass sich Kinder wie wild auf das "Elefäntle" stürzten und es zum Schmusen und Kuscheln zweckentfremdeten.

In den 1950er Jahren wurden Kuscheltiere billige Massenprodukte und Wegwerfartikel, alte Teddybären hingegen begehrte Sammlerstücke. 1994 erzielte ein Teddybär bei einer Auktion in London 140.000 Euro, in Wien war 1997 ein Sammler bereit, fast 19.000 Euro für einen schwarzen Teddy aus dem Jahr 1912 zu bezahlen, der aus Anlass des Untergangs der "Titanic" Trauer trug. Das nunmehrige Traditionsunternehmen Steiff blieb den alten Herstellungsmethoden treu und konzentrierte sich auf die Produktion von zukünftigen Sammlerstücken. Die sündteuren, in Handarbeit hergestellten Stofftiere waren gar nicht mehr dafür gedacht, je in zerstörerische Kinderhände zu gelangen.

Eine gefährliche Entwicklung: Denn wer als Kind einen wertvollen Steiff-Teddy besaß oder zu besitzen ersehnte, lebt seine Kindheitsträume im Alter mitunter als Sammler aus. Warum aber sollten Kinder, denen der Name Steiff nichts mehr sagt und die Kuscheltiere als Wegwerfprodukte begreifen, als Erwachsene plötzlich der Sammelleidenschaft verfallen?

... zu den "cosy friends"

Doch mittlerweile hat sich das Unternehmen auf seine alte Tugend der Innovation besonnen. Im Vorjahr wurde eine neue Produktlinie eingeführt - "cosy friends", ganz trendy - mit preiswerten, robusten Stofftieren, die zum Spielen, nicht zum Sammeln gedacht sind. Und diesen Sommer wurde zum 125-jährigen Firmenjubiläum eine Teddybären-Erlebniswelt eröffnet, eine Art kleines Bären-Disneyland in Gingen an der Brenz. Hier wird die Geschichte des Teddybären multimedial erzählt und auch ein Überblick geboten über die ungeheure Vielfalt an Stofftieren, die hier produziert wurde - von der Spinne bis zum Tintenfisch.

Untergebracht ist dieses hochmoderne Museum in einem ovalen Rundbau, der mit Messingplatten verkleidet ist; ein kühner Bau, der dem benachbarten Jungfrauenaquarium alle Ehre macht. Er erinnert äußerlich nicht nur fern an das Guggenheim-Museum in New York, sondern auch an jenen Messingknopf, der als Markenzeichen in den Ohren jedes Steifftieres befestigt ist. Der berühmte "Knopf im Ohr" war übrigens nichts anderes als eine Maßnahme gegen Produktpiraterie - auch hier war der Teddybär anderen Produkten um Jahrzehnte voraus.

TV-Tipp:

Margarete Steiff

In der Regie von Xaver Schwarzbauer spielt Heike Makatsch die Erfinderin der Teddybären.

Freitag, 23. Dezember, 20.40, Arte

Dienstag, 27. Dezember, 20.15, orf 2:

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