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Der Millionen-Teddy

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Sieger im Liebeswettbewerb der Kuschelwesen ist weltweit noch immer die Reprise des alten Nurmi, der Nullproblembär Teddy, in frühen Ausführungen ebenso museumsreif wie auktionsergiebig. Haariges Signal der Spezial-versteigerung bei Christies in London: 1,9 Millionen Schilling für einen neunzigjährigen Teddy, hingeblättert vom Spielzeugfabrikanten Sekiguchi, der den pelzigen Veteranen ins Zentrum seines Teddybären-Museums stellen will, welches er heuer in Tokio eröffnet. 700 Teddybären aller Größen, Altersstufen und Proviniencen hat Herr Sekiguchi für sein Vorhaben zusammengekauft. Er hatte zweifellos den japanischen Riecher für das Geschäft mit einem Trend, der in Europa geboren wurde und hier geradewegs in die Kultur-und Alltagsgeschichte der Vitrinen und Bücher führte. Im Land der aufgehenden Sonne wird man dafür keine Kulturförderung brauchen. Das „Teddarium” in Tokio ist dennoch nicht billig. 105 Millionen Schilling (mit Teddy-Handel verdient?) werden investiert, englischer Landhaus-Stil 19. Jahrhundert, handgeschlagene Ziegel, altes Eichenholz, God safe the Teddy-King!

Außer einem unverkennbaren Preisanstieg der Marken-Teddybären in der EU wirft die bärige Musealität natürlich einige gesellschaftliche und psychologische Fragen auf. Obwohl bekanntlich weibliche Wesen im Kindes-und Erwachsenenalter stärker als Männer auf Teddybären inklinieren (genaue Zahlen schuldet uns die Meinungsforschung noch), sind die Bärinnen unter den Teddys entschieden unterrepräsentiert. Zwar hat Sekiguchi auch ein Teddy-Girl aus der Sammlung des Colonel Bob Henderson bei Christie ersteigert. Der Preis von 140.000 Schilling für die immerhin aus 1904 stammende Jungbärin steht indes im krassen Mißverhältnis zum 1,9-Millionen-Bärenmann. Frauen also auch hier benachteiligt. Künftig sind Teddy-Frauenquoten zu fordern! Dies setzt allerdings voraus, daß die gleichgeschlechtliche Liebe der Männer zu Teddybären auf natürliche Spannung umgepolt wird. Der Bären-Industrie, so wurde versichert, sei es leicht möglich, die Produktion der Bärinnen zu aliquo-tieren. Aber der Kunde ist schließlich König, wie bei den Gartenzwergen und Marsbewohnern, bei denen sich weibliche Versionen bisher als Flop erwiesen.

Die Gutachten der Psychologen zum Teddy-Fieber, welches auch weite Teile der USA erfaßt hat, sind eher geschäftsschädigend für die Psycho-Branche. Ein guter Teddy nämlich absorbiere die ziellos und mitunter krankhaft umherschweifende Libido und erspare den Therapeuten. Lieber den Teddy als den Psychiater kuscheln!

Bleibt allerdings ein Phänomen, welches den Teddy doch wieder zum indirekten Problem-Bär macht. Preis und Aufmerksamkeit für den ausgestopften Nurmi übersteigen nämlich mitunter den Aufwand für Mitmenschen. Aber das haben Teddybären mit Haustieren, Pflanzen und Küchengeräten gemein. Das im Fernsehen gepriesene Gourmetmenü für Katzen sättigt bekanntlich den Hunger von Millionen unterernährter Kinder nicht - und zehn Prozent mehr Kaffee in einer Packung sind nicht bloß zehn Prozent mehr Genuß, wie die Werbung verspricht, sondern auch zehn Prozent mehr Ausbeutung auf den Kaffeeplantagen der Dritten Welt. Der Teddybär muckt zu alledem nicht auf, sondern brummelt kuschelbereit vor sich hin, ein allzeit bereites Dummy. So haben wir es gern, recht lieb und wertvoll und ohne Widerspruch, die textile Kuschelmaschine, der perfekte Menschen-Ersatz, das Bussi ohne Folgen, die sympathische Gefühls-Droge.

O nein, ich will niemand seinen Teddy verleiden. Schließlich ist es ja auch besser, bei Ärger den Teddy zu verhauen als irgendwelche unfreundlichen Mitmenschen. Ungefährliche Aggressionsabfuhr! Deswegen schauen selbst die lustigsten Teddys so traurig. So, als ob sie wüßten, daß sich in ihnen die verdrängte Wirklichkeit dieser Welt spiegelt.

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