"Der Minister führt nur Scheingespräche!"

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Die Standesvertretung der Richter und Staatsanwälte hat es nicht nötig, vom Justizminister als unsachliche und politisch gesteuerte Opposition abqualifiziert zu werden.

Die Justiz darf in ihrer demokratischen Rechtfertigung und in ihrer politischen Rolle nicht populistisch sein und muss sich gegenüber aktuellen tagespolitischen Zurufen als immun erweisen. In diesem Spannungsfeld zwischen unabhängiger Rechtsprechung und Politik kommt der Standesvertretung der Richter und Staatsanwälte eine zentrale Aufgabe zu: Die Hebung und Förderung der Rechtspflege und der Rechtsstaatlichkeit Österreichs, die Wahrung und Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit und die Förderung gerichtsorganisatorischer Reformen zur Gewährleistung eines zeitgemäßen Gerichtsbetriebes sind die Leitkriterien richterlicher Standesarbeit.

Dabei entspricht es einer bewährten Tradition, sich nicht von parteipolitischen Überlegungen beeinflussen zu lassen, ein Grundsatz, der sich auch in der Nichtfraktionierung der Gremien und der Repräsentanten der Standesvertretung manifestiert. Die sachliche Auseinandersetzung mit Justiz- und Gesetzesvorhaben und die allenfalls von aktueller Tagespolitik abweichende Position ist nie politische Opposition gegen die Regierung oder gar gegen den Justizminister und noch viel weniger Verunsicherung und Verwirrung der Bevölkerung. Die demokratisch gewählten Organe der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Standesvertretung nehmen jedoch für sich in Anspruch, dass der Justizminister, wie es einer jahrzehntelangen Tradition der österreichischen Justizpolitik entspricht, Gespräche nicht scheinhalber führt, während die Entscheidung im Sachthema bereits als unverrückbar dargestellt wird.

Aktuelle Beispiele dafür sind die Zusammenlegung von Bezirksgerichten, die Strafprozessreform und zuletzt die Schließung des Jugendgerichtshofes. Die Gerichtszusammenlegung wurde seitens des Justizministers mit dem Plan zur Auflösung von zirka 140 Bezirks- und Landesgerichten eingeleitet. Dabei wurden nicht nur die Standesvertretungen sondern auch die Landesregierungen vor den Kopf gestoßen. Trotz sachlicher Alternativvorschläge lehnte der Minister eine Zusammenarbeit mit der Standesvertretung ab und entschloss sich letztlich zur verfassungsrechtlich bedenklichen Brachiallösung, den Sitz von Bezirksgerichten per Gesetz zu verlegen.

Der Reformbedarf im strafprozessualen Vorverfahren, der in erster Linie in der Verrechtlichung der polizeilichen Ermittlungstätigkeit, dem Ausbau der Opferrechte und der Verbesserung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten liegt, wurde von der Standesvertretung immer bejaht. Das ministerielle Modell - weisungsgebundener Staatsanwalt statt unabhängiger Untersuchungsrichter - und der damit verbundene rechtsstaatlich nicht erträgliche Einfluss des Justizministers als Weisungsgeber der Staatsanwaltschaft auf jedes einzelne Strafverfahren ist jedoch nur vorstellbar, wenn der Staatsanwalt von der politischen Weisungsmöglichkeit gelöst wird. Nur das fordern Richter und Staatsanwälte, werden aber auch in dieser Frage mit unsachlichen Argumenten öffentlich abqualifiziert. Der von den Richtern und Staatsanwälten erarbeitete Gegenentwurf wurde als den Zeitplan des Ministers störend nicht einmal in Diskussion gezogen.

Genauso überfallsartig präsentierte der Justizminister seine Absicht, den Jugendgerichtshof zu schließen; Gespräche mit der Standesvertretung und Experten dienen nur mehr dazu, sich entweder der höchst umstrittenen Argumentation des Ministers anzuschließen oder als unsachlicher und politisch gesteuerter Oppositioneller hingestellt zu werden. Dass das Vertrauen der Richter und Staatsanwälte in den Justizminister nunmehr schwer erschüttert ist, darf angesichts dieser Vorgangsweisen nicht verwundern. Aufrecht bleibt jedoch die Bereitschaft zu inhaltlichen Gesprächen.

Der Autor ist Richter des Landesgerichtes Innsbruck und Vorsitzender der Bundessektion Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst.

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