Der Mut zur veränderten Perspektive

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IRR.RELEVANT ist der Titel einer Ausstellung, die derzeit im Kunstmuseum Artemons im oberösterreichischen Hellmonsödt zu sehen ist. Arbeiten von renommierten Künstlern sowie von Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung treten in Dialog miteinander.

Obwohl die Rezeption besser sein könnte: Kunst von Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung hat in den vergangenen Jahren erhöhte Aufmerksamkeit und Förderung gefunden. Dem hat auch das "Internationale integrative Kunstfestival sicht:wechsel“, das heuer bereits zum dritten Mal veranstaltet wurde, Rechnung getragen. Entstanden ist eine Kooperation mit dem Museum Artemons in Hellmonsödt, einer kleinen Gemeinde im Mühlviertel, nördlich von Linz. Ursprünglich dem Ziel verpflichtet, "die bedeutenden oberösterreichischen Maler des 19. und 20. Jahrhunderts wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken“, hat man sich nun der Art Brut angenommen und setzt sie in Beziehung zu zeitgenössischer Kunst.

Verzicht auf Bildbeschreibung

Da hängen die großflächigen Ölbilder von Heinz Göbel neben den Aquarellen von Renate Grohe, Johanna Rohreggers Tierporträts finden sich in einer Koje mit Zeichnungen von Johann Jascha. Und beim Eingang begrüßen Wandtatoos von Heinz-Frieder Adensamer, herausgefilterte Figuren aus seinen zahlreichen Collagen, die seine bemerkenswerte Fantasiewelt offen legen. Eine Zuordnung der Autorenschaft ist auf den ersten Blick nur dem Kenner möglich. Die Kuratoren der Ausstellung haben bewusst auf Bildbeschreibungen verzichtet, um dem Betrachter die Möglichkeit zu geben, die Werke wahrzunehmen, ohne auf etwaige Handicaps ihrer Autoren zu schielen. Peter Assmann, Direktor der OÖ Landesmuseen und einer der Förderer dieser Kunst, dazu: "Es geht nicht zuletzt darum, zu zeigen, dass als Kriterien zur Bewertung von Kunst nicht ausschließlich der Name und die Biografie des jeweiligen Schöpfers herangezogen werden sollen und dürfen.“ Dem stimmen wohl auch jene sechs Künstler zu, die ihre Arbeiten in den Dialog mit jenen von Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung gestellt haben: Franz Blaas, Heinz Göbel, Maria Moser, Johann Jascha, Wolfgang Stifter und Ewald Walser. Es sei nicht schwierig gewesen, sie dafür zu gewinnen, so Michael Neuhauser von Artemons.

In Oberösterreich wird die Kunst von Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung von vier großen Einrichtungen geprägt: dem Diakoniewerk Gallneukirchen, der Caritas für Menschen mit Behinderungen in St. Pius, der Lebenshilfe Gmunden und dem Institut Hartheim. In jeder dieser Einrichtungen gibt es Ateliers oder Malwerkstätten, in denen Klienten tätig sind. Die konkreten Bedingungen, unter denen das möglich ist, sind ähnlich. Die Klienten arbeiten stunden- oder tageweise, werden von Künstlern oder Kunsttherapeuten, die für ihre Assistenz zuständig und ihnen bei der Auswahl des Materials behilflich sind, begleitet. Zu den Künstlern, welche im Diakoniewerk Gallneukirchen leben und arbeiten, zählt Johanna Rohregger. Die geborene Linzerin ist auf einem Bauernhof aufgewachsen, was sich auch in den Motiven ihrer Bilder widerspiegelt: beklemmend die von ihr gemalten Schweine vor blutrotem Hintergrund. Ein Künstler der Lebenshilfe Gmunden ist Ernst Schmid. Sein Werk lässt Rückschlüsse auf seinen Ordnungswillen zu. Schrift und Teilung der Bilder unterstreichen diesen und geben seinem Werk einen einzigartigen Charakter.

Kein Richtig, kein Falsch

Auch wenn es in erster Linie die künstlerischen Aspekte sind, welche im Zentrum der Arbeit stehen, kann man therapeutische und pädagogische Effekte nicht leugnen. So macht Theresia Klaffenböck, Therapeutin in der Caritas in St. Pius, die Erfahrung, dass die Tätigkeit im Malraum zur Lebenszufriedenheit beiträgt, denn "das weiße Blatt Papier, die Leinwand gehört nur dem Klienten, hier ist er wirklich autonom. Es gibt kein Richtig oder Falsch.“ Eine Erfahrung, die für Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung noch immer nicht selbstverständlich ist! Die Bilder der Ausstellung IRR.RELEVANT sind käuflich zu erwerben. Mit einer Ausnahme: Die Arbeiten aus dem Institut Hartheim werden in den KulturFormenHartheim, einer Drehscheibe für Kunst im Kontext mit Behinderung, gesammelt und dokumentiert.

IRR.RELEVANT

Positionen zur Authentizität zeitgenössischer Kunst

bis 26. August, So 10-18 Uhr, wochentags nach Vereinbarung; www.artemons.at

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