Die Antennen des Körpers

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Die Salzburger Ausstellung "Love and Hate" gewährt einen Einblick in das Schaffen von Rebecca Horn, die bei den Festspielen auch Regie führt.

Ein metallisch heller Ton klingt durch den Raum: Zwei kleine Zimbeln werden waagerecht zusammengestoßen, erinnern mit ihrem Klang an fernöstliche, aber auch an abendländische Riten. "Zimbel Zen" ist eine zierliche Wand-Installation, deren Mechanik in einem kleinen Kästchen verborgen ist. Sie setzt in Intervallen die beiden tibetischen Tinghas sowie eine schimmernde Muschel über ihr in Bewegung. Wie zur Begrüßung wird der Besucher eingestimmt auf eine sehr besondere Werkschau, die die deutsche, international renommierte und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Künstlerin Rebecca Horn (geboren 1944) im Rupertinum in Salzburg mit eingerichtet hat.

Existenz und Verletzlichkeit

Anlass für diese aktuelle Ausstellung, die bewegte Objekte, Videofilme und Zeichnungen präsentiert, ist Rebecca Horns Arbeit bei den diesjährigen Salzburger Festspielen. Für die Opernaufführung "Luci mie traditrici" (Die tödliche Blume) des sizilianischen Komponisten Salvatore Sciarrino (*1947) in der Kollegienkirche gestaltet sie Bühnenhaus und Kostüme und führt, nach dem Tod von Klaus Michael Grüber (verstorben am 22. Juni), nun auch Regie in dieser 1998 uraufgeführten Kammeroper, in der - nach einer barocken Tragödie - der Renaissance-Komponist Carlo Gesualdo, seine Gattin und deren Gast in leidenschaftlicher Liebe, in Hass und Tod miteinander verbunden sind.

Seit ihren frühen Körper-Aktionen und Performances in den 1970er Jahren setzt sich die Künstlerin mit Fragen um die menschliche Existenz, um Geborgensein und Verletzlichkeit auseinander. Stets geht es um die Erfahrung von Körperlichkeit, auch und vor allem als Frau. Waren es damals naturhaft-mythisch anmutende Requisiten wie Federn und Masken, die ihren Körper-Raum nach außen hin erweiterten, setzt Rebecca Horn im Vorfeld für Salzburg in großformatigen Zeichnungen ihre eigene Gebärde als raumgreifende Geste ein. "Der Körper spannt Antennen weit um sich, in Linien kreisend, den Schwebezustand in Federweiß zu proben" (Rebecca Horn im Katalog). In "Flugbahnen der Falken", "L'amour cosmique-fou du fauchon rouge" (2008) deutet sie zeichenhaft leicht und poetisch den Flug des Falken, Symbol für Minne und Jagd.

Als "Märchenerzählerin aus dem Odenwald" hat der Schriftsteller Peter Stephan Jungk die Künstlerin in einem ebenso märchenhaften Essay (Katalog) gewürdigt. "Seit einem Jahr strömen ihr Bilder für die Salzburger Opernaufführung stetig zu, blutrünstig und blumenzart zugleich. Luft, Erde, Feuer, Wasser beinhalten sie, diese scharf umrandeten, locker gedachten Blütenträume. Gefährlichkeit und Erotik sind gespielte Geschwister."

Dieser Gefährlichkeit hat Rebecca Horn in höchst beklemmender Form bereits 2004 Ausdruck verliehen, in einer James Joyce gewidmeten Installation, in der jeweils vier Messer mit den Buchstaben LOVE und HATE sich aufeinander zu bewegen, sich kaum berühren und wieder zurückweichen.

Auch in "Flug der Schmetterlinge" (2008) mutet das abwechselnd monotone Flügelschlagen von zwei blau schillernden Exoten in ihrer Vitrine wie ein Todeskampf an. In Zeit und Raum gefangen dreht die "Muscheluhr" (2008) exakt ihre "Zeiger" und eine azurblaue Scheibe verweist auf nicht (mehr) messbare Zeiten. Der "Kristallfels" (2005) aus Lavastein hingegen öffnet seine Hälften und gibt für einen kurzen Moment den Blick frei auf einen Bergkristall in seinem Inneren. Zum Spiel mit dem Spiegel verführt eine bearbeitete Fotografie des Gemäldes von Diane de Poitiers, der Geliebten Heinrichs II. von Frankreich: "La Lune de la Perle" (2000).

Verwehte Farbspuren

Rebecca Horn setzt kulturelle oder literarische Bezüge sehr subtil um, gewährt aber dem Betrachter Spielraum für eigene Deutungen. Mechanische Präzision und Formschönheit der Installationen lassen das Faszinosum einer Art Kunst- und Wunderkammer der Moderne entstehen, in der die Pole von Leben und Tod, Liebe und Hass, Raum und Zeit ein hohes Spannungspotential erzeugen. Diesem kann sich der Betrachter ebenso wenig entziehen wie dem leisen Zauber "verwehter" Farbspuren in ihren Salzburger Zeichnungen.

REBECCA HORN

Love and Hate

Museum der Moderne

Rupertinum Salzburg

Wiener Philharmoniker Gasse 9,

5020 Salzburg www.museumdermoderne.at

Bis 21. 9., Di-So 10-18, Mi 10-20 Uhr; während der Festspiele ist das Museum auch montags geöffnet.

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