Diktatur mit Blick in die Antike

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Richard Strauss' "Daphne" in Salzburg: eine umstrittene Inszenierung, doch musikalisch ein großer Abend.

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Richard Strauss' "Daphne" in Salzburg: eine umstrittene Inszenierung, doch musikalisch ein großer Abend.

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Wir sind übereingekommen, daß nach Apollos Abgang außer Daphne kein menschliches Wesen mehr auf der Bühne erscheinen darf ... alles wäre eine Abschwächung. Bei den letzten Gesängen Apollos erhebt sich Daphne, ihn staunend anblickend ... und nun vollzieht sich - im Mondlicht, aber vollkommen sichtbar - an ihr langsam das Wunder der Verwandlung: nur im Orchester allein!"

Im Mai 1937 besprach Richard Strauss mit dem Dirigenten Clemens Krauss, wie er sich den Schluß seiner einaktigen "Bukolischen Tragödie" "Daphne" vorstellte, nachdem Joseph Gregor die dritte Fassung des Librettos geliefert hatte.

Wenn's doch heutzutage auch so einfach wäre! Will man diese "Daphne" im 50. Todesjahr des Komponisten auf die Bühne bringen, muß man - offensichtlich, wie die Aufführung im Salzburger Kleinen Festspielhaus zeigt - den antiken Mythos der Anverwandlung eines Menschen an die Natur etwas anders interpretieren. Richard Strauss selbst, seine Rolle im Nationalsozialismus, Rußland-Feldzug, Judenverfolgung, Faschismus sind für die Regisseurin Christine Mielitz die Marken, innerhalb derer sie die Geschichte von Daphne, Apollo und Leukippos zeitlos ansiedelt.

So gerät die Metamorphose der Daphne in den Lorbeerbaum zu Leidensweg und Schulderklärung, wie Mielitz in einem Gespräch im Programmheft meint. Daphne verbrennt und aus dieser Selbstauslöschung kann erst der Baum wachsen. Keine Frage, daß, auch wenn man der Ansicht ist, hier wurde ein Stück uminterpretiert oder -gebogen, von den ersten Andeutungen des Rußland-Feldzugs bis zur Auslöschung der Daphne ein Konzept konsequent gestaltet wird, wahrscheinlich sogar in einer den heutigen Zeitgenossen einzig verständlichen und eingängigen Form.

Um es vorweg zu nehmen: Die Aufführung des Salzburger Landestheaters im Kleinen Festspielhaus geriet zu einem großartigen Abend, vor allem was die musikalische Interpretation angeht. Mit Lena Nordin von der Stockholmer Oper hat man einen Sopran verpflichtet, der, zumal gegen Schluß, wo die Sängerin ständig gefordert ist, der Daphne alle Dramatik verleiht, die diese Partei der Sängerin abverlangt. Ebenso gelangen alle lyrischen Passagen in einer Perfektion, die den Applaus für Lena Nordin anderswo wahrscheinlich noch deutlicher hätte ausfallen lassen. Denn das Regiekonzept von Frau Mielitz wurde nicht von allen Premiere-Besuchern goutiert, wie Buh-Rufe ihr deutlich zu verstehen gaben.

Ebenso haben die beiden Tenöre Nikolai Schukoff (Leukippos) und Jeffrey Dowd (Apollo) entscheidenden Anteil an dem Erfolg dieser "Daphne". Vor allem der Lichtgott Apollo, der hier zwischen antikem Macho, Diktator und liebendem Mann zu pendeln hat, fand bei Dowd, der zur Zeit in Essen auf Strauss-Partien abonniert ist, auch stimmlich seine Entsprechung.

Das Mozarteum-Orchester unter seinem Chefdirigenten Hubert Soudant bot eine makellose Leistung, die auch entsprechend gewürdigt wurde.

Hartmut Schörghofer hatte für die Aufführung ein Guckfenster in die Antike zwei Meter über dem Bühnenboden gebaut und dann einen Saal wie in den Tempeln der Machthaber untergegangener Diktaturen hingestellt. Die Kostüme von Renate Schmitzer fügten sich dem Regiekonzept.

Daß sich viele Besucher die Einführung zu diesem Werk und seiner Interpretation nicht entgehen ließen, zeigt das Interesse an dieser leider nur auf neun Aufführungen limitierten Produktion. Es gehe, betont Mielitz, um Menschenrechte, um Isolation. Es geht auch um Liebe, selbst wenn ein Gott den Nebenbuhler Leukippos tötet . Ein großer, überwiegend zustimmend aufgenommener Abend.

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