Ein Valentinstag für Lesefreudige

19451960198020002020

Langsam spricht es sich herum: Die UNESCO hat den 23. April zum "Welttag des Buches und des Urheberrechtes" erklärt.

19451960198020002020

Langsam spricht es sich herum: Die UNESCO hat den 23. April zum "Welttag des Buches und des Urheberrechtes" erklärt.

Werbung
Werbung
Werbung

Daß an einem 23. April zwei Giganten der Literatur, nämlich der Engländer William Shakespeare und der Spanier Miguel de Cervantes gestorben sind, verleiht diesem Tag zusätzliche kulturelle Noblesse, ist aber nicht der Grund dafür, daß der 23. April von der UNESCO, der Kulturorganisation der Vereinten Nationen, am 15. November 1995 zum "Welttag des Buches und des Urheberrrechtes" erklärt wurde. Vielmehr griff man damit einen seit den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts in Katalanien üblichen Brauch auf - einander am St. Jordi-(St. Georgs-)TagBücher und Rosen zu schenken.

Veranstaltungen mit Volksfestcharakter, bei denen Autoren und Bücher die Hauptrolle spielen, beherrschen zu St. Jordi das Geschehen im Osten Spaniens. Es heißt, daß um diesen Tag in Katalanien, das etwa sechs Millionen Einwohner zählt, rund vier Millionen Bücher verkauft werden. Die UNESCO verband mit der Ausrufung eines solchen Tages für die ganze Welt die Hoffnung, "vor allem junge Menschen zu ermutigen, den Spaß am Lesen zu entdecken". Daß dieser Spaß der heranwachsenden Generation keineswegs abhanden kommt, beweisen übrigens neue Studien über das Internet. Das Surfen im weltweiten Netz muß keineswegs Banausentum fördern, sondern erfordert und bewirkt sogar ein besseres Beherrschen der Kulturtechniken Lesen und Schreiben.

In anderen Ländern ist man, was die Zelebration des 1996 erstmals begangenen Welttages des Buches betrifft, schon etwas weiter als bei uns. Korea, Spanien, Madagaskar produzieren dazu beispielsweise Sonderbriefmarken, in Norwegen trifft man sich in Büchercafes, in Frankreich zur Aktion "Lesen auf der Straße", und an der Elfenbeinküste wird der Preis für den jüngsten Autor vergeben. Englische Buchhandlungen meldeten 1998 für die Zeit um den Welttag des Buches einen Umsatzzuwachs von 15 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr davor.

In Österreich haben heuer der Verlag Buchkultur und das Verlagsbüro Schwarzer die Initiative ergriffen, um diesen Tag im Interesse des Buchhandels und der Verlage stärker zu bewerben. Eine Arbeitsgemeinschaft hat ein "Welttag des Buches-Journal" produziert, das über den Hintergrund dieses Tages und besondere Aktionsbücher informiert. Werner Brunner vom Verlagsbüro Schwarzer wertet es als sehr positiv, daß heuer schon 300 der etwa 450 echten Fachbuchhandlungen in Österreich bei der Aktion mitmachen. Für den Konsumenten werden diese Geschäfte leicht erkennbar sein - an "Welttag des Buches-Säulen" vor den Portalen. Für die Zukunft ist geplant, Jahr für Jahr eine mehrwöchige Kampagne für das Buch durchzuführen: vom im Dienst des Kinderbuches eingeführten Andersen-Tag am 2. April bis zum Welttag des Buches am 23. April.

Zwar gehören die Österreicher in Europa durchaus zu den guten Buchlesern, sagt Brunner, aber Lesen gehört unbedingt gefördert. Man muß eher von einem Stagnieren als Florieren der Branche sprechen, die Zuwächse bewegen sich ungefähr auf dem Niveau der Inflationsrate. Es bestehe eine gewisse Tendenz zu zumindest kleinen - etwa ein halbes Dutzend Geschäfte umfassenden - Buchhandelsketten, aber auch Einzelgeschäfte mit Gespür für bestimmte Nischen können sich durchaus halten.

Rund 70.000 Titel kommen jährlich im deutschen Sprachraum neu auf den Buchmarkt. Es ist kaum zu bezweifeln, daß da für jeden Geschmack etwas, und zwar mehrfach, vorhanden ist. Natürlich steht hinter dem Welttag des Buches wie hinter dem Valentinstag, den die Gärtner und Floristen alljährlich, und offenbar mit Erfolg, bewerben, nicht nur ideelles, sondern auch kommerzielles Interesse. Natürlich macht beim Verschenken von Büchern wie beim Verschenken von Blumen eine Branche ihr Geschäft. Nur: Geschenke wird es immer geben, und wenn man schon schenkt, so gehört das gut ausgewählte Buch wohl zu den sinnvollsten Präsenten, die man machen kann. Und im Gegensatz zur Blume, die verwelkt, kann es auf Dauer zum Freund werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung