Eine Primadonna wird zur Nationalheldin

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In der vergangenen Staatsopern saison hat sich ihr Name in ein Programmheft und sogar in Rezensionen verirrt, denn Ema Destinnová war das erste "Mädchen aus dem Goldenen Westen". Er habe die Uraufführung von "La fanciulla del West" nach New York vergeben, "weil sie nur dort Caruso und die Destinnová haben", erklärte Puccini in einem Interview. Doch in Wien war es die um neun Jahre jüngere Maria Jeritza, die zur idealen Interpretin der Minnie wurde.

Einen Vorsprung hatte Jeritza bei Richard Strauss, der die Titelrolle seiner "Ariadne auf Naxos" zuerst der Destinnová angeboten hatte. Doch diese, die als Salome unter seiner Stabführung auch in Paris Triumphe gefeiert hatte, nahm ihre ursprüngliche Zusage zurück. Aus Überlastung kam es auch zu keiner Zusammenarbeit mit einem anderen Bewunderer, mit Leos Janác ek.

Emilie Pavlina Kittlová wurde am 26. Februar 1878 in Prag geboren. Der Vater war Grubenbesitzer, die Mutter ausgebildete Konzertsängerin. Zu Wohlstand, Kunstsinn und Beziehungen kam eine glückliche Wahl der Lehrkräfte für die auch literarisch begabte Tochter hinzu: Die 1837 in Wien als Marie von Dreger geborene Marie Loewe-Destinn hatte als Solistin an der Wiener Hofoper, der Scala und anderswo reiche Erfahrungen gesammelt, unter anderem mit Richard Wagner und Giacomo Meyerbeer. Nach Ende ihrer Bühnenkarriere übersiedelte sie mit ihrem Mann, dem Opernkorrepetitor Thomas Loewe, nach Prag.

Ein erstes Ergebnis war die Erkenntnis, dass Emilie noch besser singen als geigen könne. Nun wurde dem Mädchen eine solide Gesangsausbildung zuteil, aber auch eine umfassende Allgemeinbildung. Die Beherrschung von fünf Sprachen sollte an der Destinnová ebenso gerühmt werden wie ihre Stilsicherheit in unterschiedlichen Repertoires. Sie war eine selbstbewusste Frau, die sich mit Schlangenmotiven tätowieren und mit Hosen blicken ließ, George Sand war eines ihrer erklärten Vorbilder.

Eine Weltkarriere

Am Prager Nationaltheater blitzte die Achtzehnjährige zunächst ab und sollte es zwar mit dreißig zum Ehrenmitglied, aber nie zum ordentlichen Mitglied bringen. Der zweite Anlauf, an der Dresdner Semperoper, brachte ihr ein fünfjähriges Engagement ein, scheiterte aber vor Antritt desselben an einer deutschnationalen Welle in der sächsischen Hauptstadt.

Der dritte Anlauf an der Preußischen Hofoper hingegen glückte voll und ganz. In Berlin begann die Zusammenarbeit mit Enrico Caruso, die sich später in Covent Garden und an der Met fortsetzen sollte, und von hier holte Cosima Wagner die Tschechin, die sich fortan nach ihrer Lehrerin Destinn nannte, nach Bayreuth, wo sie als Senta reüssierte. Auch im Nationaltheater in Prag sollte die tschechische Patriotin mehr Wagner als Smetana singen, dessen "Verkaufte Braut" sie dafür mit Gustav Mahler am Pult an der Met präsentierte.

Die Verbindung mit Amerika sollte das Geschick der Destinnová in unerwarteter Weise besiegeln. Als sie 1915 zu einer Reise in die USA aufbrach, vertraute ihr Jaroslav Kvapil, der Librettist von Dvor áks "Rusalka", Informationen der "Mafia" für die im Ausland befindlichen Vorkämpfer der tschechischen Unabhängigkeit an. Dies hatte zur Folge, dass der Sängerin bei ihrer Rückkehr der Pass abgenommen wurde. Auch die Einschaltung Hugo von Hofmannsthals als Mittelsmann in Wien erwirkte keine Ausreisegenehmigung. Ema Destinnová stürzte dies in große finanzielle Schwierigkeiten, aber es machte sie auch zur Nationalheldin. Denn die zaghafte Liberalisierung unter Kaiser Karl nutzte sie zu unverhohlener Agitation für die tschechische Sache. Denkwürdig ist ihr Auftritt bei einem Konzert am 21. April 1918 in Wien, bei dem sie unerwartet eine weiß-rote Schärpe anlegte und die tschechische Hymne "Kde domov mu j"(Wo ist meine Heimat) anstimmte. Den Tschechen trieb es die Tränen in die Augen -und aus dem Gedächtnis der Österreicher war die Sängerin ein für alle Mal ausradiert.

Vermächtnis auf Tonträgern

Erst 51-jährig verstarb Ema Destinnová am 28. Jänner 1930 in Budweis, wo heuer zum 25. Mal ein nach ihr benanntes Musikfestival stattfindet (Schlusskonzert am 13. September). Im Museum in Jindr ichu v Hradec wurden kürzlich zwei neu gestaltete Gedenkzimmer eröffnet. Auf dem Landsitz der Destinnová, Schloss Stráz nad Nez árkou, wird auch ihrer berühmtesten Schülerin gedacht -Jarmila Novotná war durch den Auftritt der Destinnová als Libus e auf dem Prager Vys ehrad-Felsen für das Operngenre begeistert worden. Auf dem Vys ehrader Prominentenfriedhof ist die Sängerin auch begraben -unweit der Gräber von Bedr ich Smetana und Antonín Dvor ák.

Auf Youtube kann man sich "The Complete Destinn" anhören, denn die Primadonna hinterließ nicht weniger als 220 Tonträger. Aufnahmen wie jene der tschechischen Hymne mit ihrem algerischen Gefährten Dinh Gilly von 1914 und des Kampflieds "Domu "(Heimwärts), mit dem sie amerikanische Tschechen zum Eintritt in die gegen Österreich kämpfenden "Legionen" bewegen wollte, lassen erahnen, welche Emotionen Destinnová entfesselt hat. Das waren freilich andere als die der "Österreicherin" Maria Jeritza

Festival Budweis: www.festival-ed.cz Museum Jindr ichu v Hradec: www.mjh.cz Schloss Stráz :www.zamekstraz.cz

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