Erstaunlich religiös

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Prostituierte haben es - auch - mit der Religion: Regisseur Michael Glawogger über seinen neuen Film "Whores’ Glory“. Das Gespräch führte Alexandra Zawia

Regisseur Michael Glawogger hat einen Film über Prostitution gemacht. "Whores’ Glory“ ist auch eine Liebeserklärung an die Frauen, die Glawogger in Bangladesch, Thailand und Mexiko besucht hat.

Die Furche: Nicht nur das Wort "Glory“, auch die Anlegung des Films als ein "Triptychon“ impliziert Verherrlichung - der Frauen, des Berufsstandes?

Michael Glawogger: Ja, der Film ist als eine Hommage, eine Glorifizierung des Berufsstandes gemeint. Das Konzept des Triptychons ist entstanden, nachdem ich den Teil in Bangladesch gedreht hatte. Das hatte solche Substanz bekommen, dass man daraus einen eigenen Film hätte machen können. Ursprünglich hatte ich fünf Unterteilungen im Kopf, ähnlich wie in meinem Film "Workingman’s Death“. Aber nach Bangladesch war klar, dass ich damit diesem Teil nur Schlechtes tun würde. Sinnvoller schien mir, ihn mit zwei Teilen zu flankieren - das Triptychon kam mir hier gelegen, auch weil sich durch den ganzen Film eine tiefe Religiosität der Frauen zieht. Die beiden "Flügel“ zu finden, war die schwierigste Phase, aber es war dann klar, dass es ein je buddhistischer und ein katholischer Teil sein musste. Das schränkte uns einerseits ein, ließ uns den Blick aber auch auf Spezifischeres richten.

Die Furche: Hat Sie die tiefe Religiosität und auch der Aberglaube der Frauen überrascht?

Glawogger: Eigentlich nein. Aber diesen lebensbejahenden, beinahe konstruktiven Totenkult der Mexikaner zum Beispiel finde ich sehr spannend, auch dass der Tod dort weiblich konnotiert ist. Es ist auch erstaunlich, was die mexikanische Kirche zulässt - dort liegen zum Beispiel ein männliches und weibliches Jesuskindlein in der Krippe. In der Gegend, wo wir gedreht haben, wird ein heilig gesprochener Mafiaboss namens Jesús Malverde verehrt, der auch als Schutzpatron für die Frauen wirkt. Die Menschen dort bedienen sich in der Gestaltung ihrer Religion viel stärker an der Realität und ihren Bedürfnissen als anderswo.

Die Furche: Warum haben Sie Bordelle in westlichen Ländern ausgespart?

Glawogger: Das Gros der Prostitution verläuft im Westen über Internet. Das ist filmisch nicht zu bewältigen. Sexualität wird ja überall verhandelt. Die Art der Verhandlung unterscheidet sich nicht wesentlich überall auf der Welt. Mir war es wichtig, Orte zu finden, die filmisch etwas erzählen. Wenn etwa in Bangkok die Frauen in diesem sogenannten "Fish Tank“ hinter einer Glasscheibe in einem hell erleuchteten Raum sitzen und die Kunden davor im Dunklen. Wenn die Frauen vom Hellen ins Dunkle schauen, sehen sie in der Reflexion der Glasscheibe nur ihr Spiegelbild. Werden sie ausgesucht, treten sie vom Hellen ins Dunkle.

Die Furche: Bei wem ist das Schamgefühl größer, bei den Kunden oder den Frauen?

Glawogger: Schamgefühl, für das, was man hier macht, gibt es eigentlich gar nicht. Das Schamgefühl bezieht sich auf die sozialen Auswirkungen, die es hat. Manche Frauen haben mir gesagt, sie können beim Film nicht mitmachen, denn wenn das ihr Vater sieht, bekommt er einen Herzinfarkt. Ich habe aber fast niemanden getroffen, der sich grundsätzlich dafür geniert hätte.

Die Furche: Was sagen Sie jemandem, der Ihnen unterstellt, die Frauen für den Film zu verheizen?

Glawogger: Niemand, der den Film wirklich anschaut, kann das unterstellen. Was ich aber bemerke, sind unterschiedliche Reaktionen zwischen Mann und Frau. Frauen können diesen Film viel besser begreifen, finden die Frauen stark, verstehen sie, finden es interessant, Bereiche zu sehen, zu denen sie sonst keinen Zugang haben. Männer dagegen reagieren auf den Film oft verschreckt. Viele haben sich das glorioser vorgestellt. Die wollen das nicht so wahrhaben, wenn die Frauen hier übers Eingemachte reden. Männer sind in dieser Hinsicht ja oft ein bisschen dumm.

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