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"Evil does not exist": Eine feine Fabel

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Der japanische Regisseur Ryûsuke Hamaguchi reflektiert in seinem Spielfilm über das ökologische Gleichgewicht.

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Der japanische Regisseur Ryûsuke Hamaguchi reflektiert in seinem Spielfilm über das ökologische Gleichgewicht.

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In einem Wald heult eine Motorsäge auf. Die Kamera fährt nach rechts und richtet ihr Auge auf Takumi, der mit seiner neunjährigen Tochter Hana hier zuhause ist. Ruhig und konzentriert geht der Mann seinem Tagewerk nach, als sei er Teil dieser Natur. „Evil does not exist“ kreiert ein friedlich-beschauliches Bild, obgleich ihm etwas Beunruhigendes anhaftet. Es entspringt der eigenwilligen Art der Kameraführung und dem Bildformat. Als würde über sie ein Naturgeist walten, welcher die Menschen bei ihrem Treiben beobachtet, ihnen aber auch böse werden kann.

Philosophische Durchdringung

In seinem in Venedig preisgekrönten ethisch-ökologischen Spielfilm entführt uns der japanische Regisseur Ryûsuke Hamaguchi aufs Land. In dem Dorf, in dem Takumi lebt, ist die Natur und die Gemeinschaft intakt. Eine Quelle versorgt alle mit frischem Trinkwasser und die örtliche Gastwirtschaft mit einer Zutat, welche das Ideal der japanischen Küche auf höchstem Niveau erfüllt. Doch inmitten der malerischen Natur soll ein Glamping-Platz gebaut werden. Als das Dorf die Überarbeitung des Bauentwurfs fordert, sollen die Projektbetreuer die Menschen umstimmen.

Hamaguchis Fabel greift Elemente seiner früheren Filme auf. Sie erscheint schlicht; ihre Charaktere hie und da mehr auszuarbeiten, hätte ihr gutgetan. Aber dem Regisseur ist der sichtbare Bedürfniskonflikt lediglich Anlass für seine rhythmisch-nuancierte, philosophische Durchdringung des Themas. Sie gleicht der beschriebenen reinen Quelle: Nicht nur sieht man bis auf deren Grund, sondern sie reflektiert auch das eigene Selbst.

So versenkt sich Hamaguchi in das menschliche Verhältnis zur Natur, webt ein feinsinniges Netz symbolischer Verbindungen und blickt ins Innere seiner Protagonisten und Protagonistinnen. Für Hana ist die wilde, ursprüngliche Natur ein Kindheitsparadies. Hier kann die Tochter ihrem Vater nah sein, hier spielt und lernt sie. Doch der vereiste See und winterlich fahlbraune Wiesen, ein waidwundes Reh künden zugleich von Melancholie, Einsamkeit, Tod. Details wie ein Foto Hanas mit ihrer Mutter oder der Vater, der seine Tochter von der Schule abzuholen vergisst, deuten auf seelische Verletzungen, beschädigte Bindungen.

Meisterhaft werden diese Verwerfungen getragen von Yoshio Kitagawas Kameraführung und Eiko Ishibashis Musik. Sie gipfeln in einem überraschenden Ende, das Fragen aufwirft. Es lädt dazu ein, sich diesen Film voll hintergründiger Tiefe nochmals anzuschauen.

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