IchCapitano - © Panda Film

„Ich Capitano“: Hochglanz-Kino

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Matteo Garrone macht in „Ich Capitano“ aus der Flucht zweier senegalesischer Teenager wenig mehr als ein großes, weichgespültes Abenteuer. Ein zwiespältiger Film.

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Matteo Garrone macht in „Ich Capitano“ aus der Flucht zweier senegalesischer Teenager wenig mehr als ein großes, weichgespültes Abenteuer. Ein zwiespältiger Film.

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Ein grundlegendes Problem von „Ich Capitano“ ist schon die Perspektive des Films, wenn ein Europäer ungebrochen aus afrikanischer Sicht erzählt. Matteo Garrones Ziel „anstatt wie üblich von Europa nach Afrika zu blicken, schauen wir von Afrika nach Europa“ ist von vornherein zum Scheitern verurteilt – oder als Akt kultureller Aneignung zu bezeichnen –, denn Garrone („Gomorrha“, „Das Märchen der Märchen“) ist nun mal Italiener und kein Afrikaner und kann nicht so leicht die Perspektive wechseln. Perfekt gecastet sind zwar die Laiendarsteller und stark spielen der bei den Filmfestspielen von Venedig als bester Schauspieler ausgezeichnete Seydou Sarr und Moustapha Fall. Authentisch wirken sie als Cousins Seydou und Moussa, die der Traum von einer Karriere als Rapper in Europa zur heimlichen Flucht verleitet, doch folkloristisch wirkt die Schilderung der senegalesischen Hauptstadt Dakar.

Armut und Not werden hier nicht spürbar, sondern vielmehr zeichnet Garrone in kräftigen Farben und perfekt ausgeleuchteten Einstellungen ein Bild des prallen Lebens. Negiert werden damit auch existenzielle Fluchtgründe, denn das Leben in Dakar erscheint als durchaus angenehm.

Mit Ortsinserts wird die Reise vom Senegal über Niger und durch die Sahara bis Libyen strukturiert, doch „Ich Capitano“ beschränkt sich dabei auf die Abfolge zwar bildstarker, aber oberflächlicher Szenen, die durch den Hochglanz-Look das Flüchtlingselend schönfärben und weichspülen. Da mögen die beiden Teenager zwar von Schleppern ebenso wie von Polizisten immer wieder abgezockt und schließlich auch gefoltert und quasi als Sklaven verkauft werden, so geht dieses Drama doch nie in die Tiefe. Verheerend ist auch der Musikeinsatz, durch den die im Grunde erschütternde Geschichte ebenso wie durch Luftaufnahmen der durch die Wüste rasenden Pick-ups, die Erinnerungen an „Mad Max“ wecken, zu einem Abenteuerfilm aufgeputscht wird.

Ganz im Gegensatz zu Agnieszka Hollands in seinem rauen, quasidokumentarischen Gestus aufwühlenden „Green Border“ wird hier eine Migrationsgeschichte, die aufgrund ihrer Härte zutiefst erschüttern müsste, für ein breites Publikum konsumierbar gemacht. Es reicht nicht aus, die beiden Teenager immer wieder in schockierende Situationen zu bringen, sondern Härte müsste der Film auch durch eine harsche Form entwickeln.

Intensive Szenen fehlen zwar nicht, doch diese werden durch die glatte Erzählweise abgeschwächt und angesichts des realen Flüchtlingselends wirken poetische Traumsequenzen ebenso deplatziert wie das Finale, in dem diese Flüchtlingsgeschichte zur irrational optimistischen Entwicklungs- und Heldengeschichte Seydous wird.

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