Frauenleben mitten in der Wüste

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Sengende Hitze. Unwegsames Gelände. Der Weg, wer weiß wo: 1500 Kilometer lang ist die jährliche Reise durch die Sahara, die die Frauen des Volkes der Toubou auf sich nehmen. Nathalie Borgers dokumentiert dies in „Die Frauenkarawane“.

Hierzulande ist die belgische Dokumentarfilmerin Nathalie Borgers den Cineasten und arte-Zuschauern wegen ihres Film „Kronen Zeitung – Tag für ein Boulevardstück“ (2002) bekannt. Und obwohl der Streifen seinerzeit monatelang in den Programmkinos lief und vom Publikum gestürmt wurde – der auch (medien)politisch lehrreichen Filmparabel über die Nähe von Macht und Kleinbürgertum verweigerte sich der ORF bis heute, obwohl sogar der Publikumsrat der heimischen Anstalt die Ausstrahlung des Krone-Films urgiert hatte: Es schien der jeweiligen ORF-Führung bis heute nicht opportun, sich mit den Dichands anzulegen.

Beschriebene Kalamitäten dürften dem neuen Film von Natalie Borgers nicht drohen, wiewohl der Gestus der unbefangenen Beobachterin, den Borgers auch diesmal perfektioniert, hier wie dort zum Tragen kommt und zwei auf den ersten Blick so unterschiedliche Opera wie jene über die Krone und „Die Frauenkarawane“ doch miteinander verbindet.

Ein faszinierender Blick in eine fremde Welt gelingt Nathalie Borgers diesmal, und es ist ihr als Verdienst hoch anzurechnen, dass sie mit ihrem neuen Film der Verengung des westlichen Blicks auf den Orient, der zurzeit stark vom politischen Islam und patriarchaler Weltdeutung geprägt scheint, einen subtilen Kontrapunkt setzt.

Unüberbietbar eindrücklich

„Die Frauenkarawane“ erzählt von Frauen des Nomadenvolkes der Toubou, die in der südöstlichen Sahara leben. Einmal im Jahr begeben sich die Frauen mit ihren Kleinkindern weg von den Männern, die im westlichen Tschad und im Süden von Niger zu Hause sind.

Sie ziehen 1500 Kilometer weit in den Norden des Landes, um Datteln zu ernten und diese im Süden zu verkaufen. Ein Jahr kann ein Nomadenhaushalt von diesen Einkünften leben, ohne Tiere verkaufen zu müssen.

In unüberbietbar eindrücklichen Bildern von Kameramann Jean-Paul Meurisse folgt der Film unter sengender Wüstensonne und unerträglichen Sandstürmen durch die unfassbare wie lebensbedrohliche Weite dieser Landschaft. Und indem Nathalie Borgers diese Beschwernis mittels Film mitgeht, kann sie vom Leben dieser Frauen erzählen, die von einer archaischen Kultur, aber doch auch von modernen Sehnsüchten geprägt sind.

Aus sieben Frauen mit Kindern, insgesamt dreißig Personen samt ihren rebellischen Kamelen, besteht die Karawane, die Borgers mehr als zwei Monate durch die tagsüber 50 Grad heiße Wüste begleitet hat.

Drei Frauenschicksale

Anhand von drei Protagonistinnen erzählt sie vom harten Alltag und den Bedürfnissen und Sehnsüchten dieser Frauen. Die 50-jährige Domagali Issouf ist die „Doyenne“ der Gruppe. Mit untrüglicher Sicherheit lotst sie die Karawane entlang der unsichtbaren Wege und ist noch in den Sitten der Toubou verwurzelt ist. Amina Ahmed, 27, träumt vom Leben in einer modernen Stadt. Sie war zwangsverheiratet worden, konnte aber geschieden werden und lebt nun als freie Frau auf der Suche nach Neuem. Auch die 21-jährige Mariama Dadi ist – unglücklich – zwangsverheiratet. Ein behutsamer Film erzählt über eine Gesellschaft, die gleichermaßen ungerecht, einengend wie unvermutet tolerant ist – auch gegenüber Frauen.

Unwirtlich wie die Wüste scheint das Leben dieser Frauen. Doch der Raum, den dieser Film wirklich eröffnet, zeigt, wie sehr diese Fassade täuscht. Mag sein, dass die Umstände und das Korsett einer restriktiven Gesellschaft hart machen. Aber Nathalie Borgers gelingt es in „Die Frauenkarawane“, dies aufzubrechen und in kleinen Geschichten, manchmal bloß Andeutungen und Gesten zu zeigen, was diese Frauen leben – und träumen lässt.

Die Frauenkarawane

B/A/F 2009. Regie: Nathalie Borgers. Mit Domagali Issouf, Amina Ahmed, Mariama Dadi. Verleih: Poool. 90 Min.

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