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Im Würgegriff des iranischen Terrors

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Angst vor iranischem Terror: Österreichs Behörden inszenierten ein Versteckspiel anläßlich des Salman-Rushdie-Besucbs in Wien.

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Angst vor iranischem Terror: Österreichs Behörden inszenierten ein Versteckspiel anläßlich des Salman-Rushdie-Besucbs in Wien.

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Kein Tag des Sieges der Literatur, sondern ein Tag ihrer Niederlage? Unterrichtsminister Rudolf Schölten brachte es auf den Punkt. Das Wort dürfe nicht verstummen. Zunächst aber dominierten Geheimhaltung und Verschwiegenheit den Besuch des indisch-britischen Literaten Salman Rushdie in Wien anläßlich der Entgegennahme des Österreichischen Staatspieises für Europäische Literatur am Montag, 16. Mai.

Es war nicht nur Salman Rushdie selbst, der - den Schalk im Nacken - den Dritten Mann reminiszierte. Die etwa 50 Journalisten aus dem In- und Ausland, die am

Montag für 10.30 Uhr zu einem gelben Postautobus in der Nähe des Wiener Riesenrads bestellt worden waren, summten Anton Karas' weltberühmte Zithermelodie, ehe sie die Sicherheitsmaßnahmen der Beamten des Innenministeriums erfaßte. Leibesvisitation. Eine Stunde Warten im Bus, dann Signal zur Abfahrt an einen unbekannten Ort, wo die Pressekonferenz mit Rushdie stattfinden sollte. Danach etwa eine dreiviertel Stunde unfreiwilliges, wenngleich per Unterschrift in Kauf genommenes Sightseeing auf Wiens Ringstraße, um endlich auf dem Schwarzenbergplatz bei einem ehemaligen Casino, nun eine Spielstätte des Burgtheaters, zu landen. Nochmalige Leibesvisitation.

Und dann kam Rushdie. Bemerkung eines ausländischen Kollegen: „Für 200.000 Schilling (soviel macht der Staatspreis auSj Anm. d. Red.) hätte ich in Osterreich nicht mein Leben aufs Spiel gesetzt." Doch Rushdie will nicht schweigen. Im Gegenteil. Er forderte zum Dissidententum auf, das nach wie vor - wie seinerzeit in der alten Sowjetunion - wichtig sei. Wozu besteht das Recht auf Widerspruch, wenn es nicht genützt wird? fragte der seit fünf Jahren vor dem iranischen Terrorregime auf der Flucht befmdlicne Autor.

Seine Situation, ständiges Versteckspiel vor möglichen moslemisch-fundamentalistischen Killern, die jederzeit ein „Todesurteil" des Khomeini-Staates am Verfasser der „Satanischen Verse" vollstrecken könnten, kommentiert er abgeklärt: „Was ist schon ein normales Leben?" Die Europäische Union fordert er auf, energischer mit dem Iran zu sprechen, sonst drohe die Ausbreitung des Terrors auch in Europa. Es gebe Verbindungen zwischen iranischen Terroristen und der IRA. Der Mann, der vor dem iranischen Geheimdienst auf der Flucht ist, gibt zu, daß er ohne die Hilfe westlicher Geheimdienste nicht überlebt hätte. Für das, was er geschrieben habe, werde er sich bei niemandem entschuldigen.

(Kommentar auf Seite 9).

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