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Restvölker

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Als Überreste der einst große Teile Europas besiedelnden keltischen Völker bestehen im Gebiete der Ostalpen gegenwärtig noch drei Volksstämme. Es sind dies die Rätoromanen im Quellgebiet des Rhein und Inn (Graubünden), die Ladiner in Südtirol, und zwar im Nocetal, westlich der Etsch, und im Fleimser-, Grödner-, Enne-berger- und Abteital sowie im Gebiete um Cortina d'Ampezzo und Buchenstein, östlich der Etsch, und schließlich die Furlaner im Gebiete zwischen Piave und Isonzo (Friaul). Diese drei keltischen Volksstämme siedelten einst in unmitrelbarer Nachbarschaft, wurden aber später durch das vordringende Volkstum der Italiener, Alemannen und Bayern in :?umlich getrennte Siedlungsgebiete aufgespalten.

Diese keltischen Restvölker würden einer besseren kulturellen Behandlung, als sie ihnen in den letzten Jahrzehnten zuteil wurde, bedürfen, damit sie in ihrem Bestände erhalten bleiben. Aus ihren Sprachen, Sitten und Brauchtümern ließen sich noch viele wertvolle Ergebnisse für die Erforschung der vorrömischen Zeit in. den Ostalpen erzielen

Lediglich die Schweiz ist dieser kulturellen Forderung gerecht geworden. Das Rätoromanische wurde als vierte der Schweizer Staatssprachen 3nerkannt. Während die Ladiner und Furlaner in der österreichisch-ungarischen Monarchie ihr Volkstum bewahren konnten, ist Italieh seit dem Besitzender ladinischen (seit 1919) und fur-lanischen (seit 1866 bezüglicji der venezianischen und seit 1919 bezüglich der Grafschaften Görz und Gradiska) Siedlungsgebiete auf das eifrigste bemüht, diesen Volksstämmen das eigene Volkstum zu nehmen. Der Italienisierungsprozeß in der seit 1866 zu Italien gehörigen venezianischen Friaul konnte schon größere Teilerfolge im Gebiete um Belluno und unmittelbar östlich der Piave sowie m einem schmalen, stellenweise nur wenige Kilometer breiten Streifen entlang der Adnaküste erzielen.

Die Volksstämme der Rätoromanen und Ladiner zählen nur mehr nach Zehntausenden. Die Furlaner stellen aber einen Volksstamm von über einer halben Million Menschen dar, der zwar ständig in seinen Siedlungsgebieten durch die Italiener zurückgedrängt wird, der sich aber, trotzdem ihm der Schulunterricht in der eigenen Muttersprache in den letzten Generationen vorenthalten worden war, bis heute behauptet hat.

Die Volksnot der Ladiner Südtirols, die mit der Zerreißung von Tirol begann. Lad kürzlich ihren beredten Ausdruck in dem Appell der Ladiner an die Friedenskonferenz in Paris, in dem sie auch für die ladinischen Gebiete Südtirols den Anschluß an Österreich verlangten. ' Es sollte eine Forderung der Kulturwelt sein, den Ladinern und Furlanern, diesen beiden ethnographisch und historisch so interessanten Volksresten, das Lebensrecht zu sichern. ..

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